Deutsche Politiker Verständnis für schweizer Entscheidung

Düsseldorf (RPO). Der Volksentscheid in der Schweiz gegen den Bau von Minaretten sorgt auch in Deutschland für heftige Diskussionen. Während Politiker aller Parteien am das Votum der Eidgenossen verurteilten, gibt es auch Verständnis für den Ausgang der Abstimmung - mit Verweis auf die Angst vor kultureller Überfremdung. NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) kritisierte unterdessen Volksabstimmungen zu Grundrechtsfragen.

Die Stars und der Islam
11 Bilder

Die Stars und der Islam

11 Bilder

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), hält angesichts des Votums der Schweizer Ängste vor kultureller Überfremdung auch in Deutschland für begründbar. "Solche Stimmungen muss man als Politiker sehr ernst nehmen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Das zeigt, dass man in der Schweiz und möglicherweise auch bei uns gewisse Ängste hat gegenüber einer kulturellen Überfremdung." Vor allem in den Großstädten seien solche Ängste durchaus begründbar.

Auch die Bedenken gegen den Bau von Minaretten müsse "man schon verstehen. Wir sind christlich-abendländisch geprägt in Mitteleuropa. Und da ist das Minarett ein Fremdkörper". Die Muslime müssten sich deshalb ernsthaft fragen lassen: Muss es ein Minarett sein, insbesondere in bestimmten Positionen, in bestimmter Höhe und möglicherweise noch mit einem gewissen Dominanzstreben?"

Der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK), Alois Glück, hat zu einem stärkeren kulturellen Dialog zwischen Christen und Muslimen aufgerufen. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es hier eigentlich bei allen Beteiligten Ängste gibt", sagte Glück am Dienstag im Deutschlandfunk. Bei der einheimischen Bevölkerung gebe es Angst vor "Überfremdung" und "Identitätsverlust", und auch die Zuwanderer hätten Angst, ihre eigene kulturelle Identität aufgeben zu müssen.

Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin hat Verständnis für den Minarett-Entscheid geäußert. "Das Schweizer Volksbegehren zeigt, dass in der Tiefe der Gesellschaft anders gedacht wird als die politische Klasse und die Mehrheit der Medien glauben wollen", sagte Sarrazin dem "Handelsblatt".

Laschet kritisiert Abstimmungen

NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) sieht in der Abstimmung über Minarette in der Schweiz ein typisches Beispiel für die Unsinnigkeit von Volksabstimmungen, insbesondere in Grundrechtsfragen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, in Deutschland lebten Christen in vielen Gegenden in der Minderheit. "Ich möchte nicht, dass da abgestimmt wird über den Bau von Kirchen oder über Glockengeläut am Sonntagmorgen", sagte der Minister. "Die Mehrheiten wären wahrscheinlich gleichermaßen erschreckend." "Oder sollen wir in Deutschland über den Bau von Synagogen abstimmen?", fragte Laschet. Er finde es daher hilfreich, dass hier zu Lande die Religionsfreiheit auch als Minderheitenrecht nicht zur Disposition stehe.

Der CDU-Politiker kritisierte, die Volksabstimmung sei auf die Frage der Minarette verkürzt worden. In die Entscheidung hätten sich aber Sorgen vor Fundamentalismus, vor Zwangsheiraten und vor Arbeitsplatzverlust gemischt. Dies zeige, wieso Volksabstimmungen zu derart komplexen Themen falsch seien.

Islamexperte sieht Integration in Deutschland positiv

Yunos Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen sagte, in Deutschland gebe es zwar ebenfalls Probleme bei der Integration von Muslimen. Ein Votum wie in der Schweiz und eine entsprechende Kampagne könne er sich aber nicht vorstellen. "Hier leben seit 40 Jahren Muslime. Die Integrationsdebatte ist hier viel weiter", sagte Ulusoy. Es gebe in Deutschland inzwischen mehr als 100 Moscheen mit Minaretten. "Natürlich haben wir vor allem seit den Anschlägen vom 11. September 2001 Probleme. Das hat Angst ausgelöst. Das müssen Politik und Muslime wahrnehmen", sagte der wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums. "Integration können Sie nicht gegen die Mehrheit durchsetzen. Es braucht Akzeptanz und Überzeugung. Dafür muss man werben."

Auseinandersetzungen um Moscheebauten und die Höhe der Minarette gibt seit Jahren auch in Deutschland, zuletzt besonders kontrovers in Köln. Kritisch äußerte sich vor zwei Jahren auch Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem CDU-Parteitag in Hannover. Im Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften sei auf bestimmte Dinge zu achten: "Zum Beispiel darauf, dass Moscheekuppeln nicht demonstrativ höher gebaut werden als Kirchtürme. Toleranz kann und darf nicht Beliebigkeit bedeuten", sagte Merkel unter starkem Applaus der Delegierten.

Schweiz um Schadensbegrenzung bemüht

Die schweizer Regierung in Bern bemüht sich unterdessen um einen Dialog mit Vertretern der islamischen Welt. Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey empfing am Montag mehrere Botschafter muslimischer Länder, wie sie dem französischen Rundfunksender RTL sagte. Nach Berichten der Schweizerischen Depeschenagentur SDA waren darunter die diplomatischen Vertreter Saudi-Arabiens und des Iran.

"Wir haben gemeinsame Interessen", sagte Ministerin Calmy-Rey dem Sender "RTL" und rief dazu auf, den Dialog zwischen den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften zu stärken. Die Schweiz bezeichnete sie ausdrücklich als "multikulturelles Land".

Die Schweizer hatten sich in einem Referendum am Sonntag überraschend für ein Bauverbot für Minarette ausgesprochen, das nun in die Verfassung aufgenommen werden soll. Die Initiative von zwei rechtspopulistischen Parteien, in der Minarette als Symbole eines islamischen Machtanspruchs dargestellt wurden, erreichte eine Zustimmung von 57,5 Prozent. Die Regierung in Bern hatte den Stimmberechtigten empfohlen, mit Nein zu votieren.

(DDP/Reuters/AP/ndi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort