Untersuchungsausschuss soll sich auch mit Merkel befassen Kundus-Affäre erreicht das Kanzleramt

Berlin (RPO). In der Kundus-Affäre geraten nach dem Rücktritt von Franz-Josef Jung zunehmend auch Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ins Visier. Am Dienstag bezog das Kanzleramt Stellung und wehrt sich gegen Vorwürfe, es habe vor der Bundestagswahl nur halbherzig informiert.

Merkel besucht Bundeswehr in Afghanistan
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Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans wies am Montag in Berlin einen Bericht zurück, demzufolge im Kanzleramt schon vor der Bundestagswahl eine kritische Analyse zu dem Luftangriff erstellt worden sei. "Es gibt diese Bewertung nicht", sagte er. Auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, er kenne keine Einschätzung des Kanzleramts zu diesem Thema.

Der "Kölner Stadt-Anzeiger" hatte berichtet, das für Verteidigungspolitik zuständige Referat im Bundeskanzleramt habe im Gegensatz zum Verteidigungsministerium schon frühzeitig den Luftangriff von Kundus als militärisch unangemessen eingestuft. Die Fachleute hätten erklärt, der Einsatz werde ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen.

Kanzleramt verspricht Transparenz

"Ich kann Ihnen nicht bestätigen, dass vom Bundeskanzleramt die Bewertung 'militärisch angemessen' oder 'militärisch unangemessen' vorgenommen wurde", sagte Steegmans. Der Regierungssprecher trat auch Spekulationen entgegen, möglicherweise habe in Teilen des Kanzleramts eine solche Einschätzung bestanden und sei nicht an die Spitze weitergegeben worden. Das Kanzleramt sei bereit, dem Verteidigungs- wie auch einem Untersuchungsausschuss alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, sagte er.

Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung war am Freitag wegen der Informationspannen nach dem Bombenangriff vom 4. September von seinem neuen Amt als Arbeitsminister zurückgetreten. Am Montag erhielt der CDU-Politiker von Bundespräsident Horst Köhler die Entlassungsurkunde. Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte schon am Donnerstag den Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und Staatssekretär Peter Wichert entlassen.

Opposition setzt auf Untersuchungsausschuss

Die Opposition will die Vorwürfe in einem Untersuchungsausschuss klären lassen. Dabei will sie die Rolle von Kanzlerin Angela Merkel sowie insbesondere diejenige Guttenbergs zur Sprache bringen. Die Union wiederum hat angekündigt, den damaligen Außenminister und heutigen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zu befragen. Ein Ministeriumssprecher kündigte an, den Auswärtigen Ausschuss am Dienstag darüber zu informieren, zu welchem Zeitpunkt welche Informationen im Auswärtigen Amt zur Verfügung gestanden hätten.

Guttenberg versprach eine umfassende erneute Prüfung der gesamten Unterlagen zu dem Vorfall. "Ich habe sofort nach Vorlage der mir vorenthaltenen Berichte dem Bundestag eine Neubewertung zugesagt", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Klar ist, dass vor Ort Fehler gemacht wurden, sowohl vor wie nach dem Luftschlag." Diese Fehler seien von ihm am 6. November auf Grundlage des Berichts der Afghanistan-Stabilisierungstruppe Isaf deutlich benannt worden.

Merkel als Zeugin

Der Verteidigungsminister steht bei der Opposition in der Kritik, weil er damals kurz nach seiner Amtsübernahme den Bombenangriff noch als angemessen verteidigt hatte. Der Befehl zu dem Bombardement mit bis zu 142 Opfern war von dem deutschen Oberst Georg Klein ausgegangen. Ein Sprecher Guttenbergs sagte, für die neue Überprüfung gebe es keinen Zeitrahmen. Eine interne Kommission trage zurzeit alle relevanten Dokumente zusammen.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte, Guttenbergs ursprüngliche Haltung sei von niemandem nachvollziehbar gewesen, der den geheimen Nato-Bericht gekannt habe. Wie es dazu gekommen sei, müsse ein Untersuchungsausschuss klären, sagte Trittin im NDR. Gegebenenfalls solle auch Merkel als Zeugin gehört werden.

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sprach ebenfalls von einer Fehleinschätzung Guttenbergs. Zudem äußerte er im WDR den Verdacht, in der Regierung habe es wegen der bevorstehenden Wahl eine Strategie gegeben, Informationen zunächst zurückzuhalten. "All dies muss jetzt auf den Tisch", sagte Arnold.

(RTR/pst)
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