SPD-Pläne zu Arbeitslosengeld Arbeitgeber warnen vor Frühverrentung

Berlin · SPD-Kanzlerkandidat Schulz bläst wegen seiner Reformpläne zur Agenda 2010 zunehmend Gegenwind ins Gesicht. Besonders die Idee, bei gleichzeitiger Weiterbildung das Arbeitslosengeld I künftig bis zu vier Jahre zu zahlen, stößt bei Arbeitgebern auf heftige Kritik.

 SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in Vilshofen (Bayern) beim Politischen Aschermittwoch (Archivbild).

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in Vilshofen (Bayern) beim Politischen Aschermittwoch (Archivbild).

Foto: dpa, awa rho

Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), schrieb in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag", Deutschland müsse seine Spitzenstellung in Technik und Produktion verteidigen. "Das ist eine zentrale Herausforderung für unser Land, nicht die Länge des Arbeitslosengeldes I." Nötig sei "eine gewisse Flexibilität im Arbeitsmarkt". Und der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen Kampeter, sagte in Berlin: "Die rückwärtsgewandten Vorschläge verführen zu Warteschleifen, an deren Ende nicht Beschäftigung, sondern Frühverrentung steht."

Das Konzept der SPD, das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles als Vorsitzende einer entsprechenden Arbeitsgruppe SPD-Kanzlerkandidat Schulz aufschrieb und über das die "Süddeutsche Zeitung" zuerst berichtete, sieht die Einführung eines "Arbeitslosengeldes Q" vor. Wer drei Monate nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes noch kein neues Stellenangebot hat, soll von der künftig in "Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung" umbenannten Behörde einen Vorschlag für Weiterbildung erhalten.

Arbeitslosengeld Q soll nicht auf ALG angerechnet werden

"Wir wollen ein neues Arbeitslosengeld Q für die Dauer der Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen einführen", heißt es in dem SPD-Papier, das unserer Redaktion vorliegt und über das heute der Parteivorstand beraten soll. Der Bezug des "Arbeitslosengeldes Q" soll demnach nicht auf einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG) angerechnet werden und an die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung gekoppelt werden. Die Höhe richtet sich nach dem ALG I. "Nach Beendigung einer Qualifizierungsmaßnahme setzt der Anspruch auf ALG erneut nach den bisherigen Regeln ein", heißt es in dem Papier weiter. Anders als in der Vergangenheit werde damit für die Zeit der Weiterbildung die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nicht mehr um die Hälfte gemindert.

 Grafik: Martin Ferl/RP

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Foto: Ferl

In der Praxis bedeutet das etwa für einen 58-jährigen Arbeitnehmer, dass er statt der bisher 24 Monate Arbeitslosengeld I im Extremfall bis zu 48 Monate lang Anspruch auf Unterstützung hätte. Betrachtet man die bisher übliche Dauer von Weiterbildungsmaßnahmen, dürfte es in der Regel aber eher um einige Monate längeren Anspruch gehen. Derzeit werden höchstens zwei Jahre bezahlt, üblich sind aber kürzere Maßnahmen.

Bisher gibt es fünf Abstufungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld I: für zehn Monate nach 20 Monaten Beschäftigung, für zwölf Monate ab 24 Monaten vorangegangener Beschäftigung, ab 50 Jahren dann für 15 Monate ab 30 Monaten Beschäftigung und ab 55 Jahren für 18 Monate ab 36 Monaten Beschäftigung. Wer 58 Jahre oder älter ist, erhält nach mindestens 48 Monaten Beschäftigung zwei Jahre lang Arbeitslosengeld I, bevor er ALG II, also Hartz IV bekommt. Die Höhe des Arbeitslosengeldes I - oder künftig von ALG Q - wird mit 60 Prozent des zuvor gezahlten Lohns berechnet. Wer Kinder hat, bekommt 67 Prozent.

Die Höhe der Auszahlung bemisst sich am Nettoeinkommen, das ein Beschäftigter in den zwölf Monaten vor dem Jobverlust nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen, Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag verdient hat. Derzeit sind etwa ein Drittel aller Arbeitslosen zwischen 50 und 65 Jahre alt, in absoluten Zahlen sind es knapp 900.000 der 2,7 Millionen Erwerbslosen in Deutschland.

Änderungen sollen den schnellen Absturz in Hartz IV verhindern

SPD-Kanzlerkandidat Schulz hatte angekündigt, mit Reformen der Agenda 2010 auf die "Arbeitswelt 4.0" reagieren zu wollen. Die Arbeitsmarktreformen müssten den heutigen Entwicklungen angepasst werden. Mit dem nun vorliegenden Konzept sollen Arbeitslose länger vor einem Absturz in das Arbeitslosengeld II oder Hartz-IV-System geschützt werden.

Kritik an dem SPD-Papier, das darüber hinaus auch eine Erhöhung des Schonvermögens für Hartz-IV-Bezieher von derzeit 150 Euro je Lebensalter auf 300 Euro vorsieht, kommt unterdessen auch von den Grünen. Deren Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer lobte zwar, dass Schulz die Verlängerung des Arbeitslosengeld-Bezugs an Qualifizierung koppeln will. Das Prinzip gelte aber schon heute. Gerade bei Älteren hätten sich zudem Lohnkostenzuschüsse bewährt. "Größtes Manko des Konzepts: Arbeitslosengeld-II-Bezieher haben davon nichts", sagte Pothmer. Damit würden 63 Prozent aller Arbeitslosen leer ausgehen.

(jd / mar)
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