Sexismus in Politik und Wirtschaft Am besten einfach nur schön aussehen

Düsseldorf · Sexistische Äußerungen über das Aussehen von Frauen in Politik und Wirtschaft haben lange Tradition. Doch die Sensibilität wächst.

 Serap Güler ist CDU-Abgeordnete im NRW-Landtag.

Serap Güler ist CDU-Abgeordnete im NRW-Landtag.

Foto: CDU

Seit NRW-Arbeits- und Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) seine Gegenspielerin von der CDU-Opposition, Serap Güler, öffentlich als "gut aussehende schwarzhaarige Dame" bezeichnete, hat die Landesregierung ihre Sexismus-Debatte.

Zumal der Minister diese Äußerung in einen Zusammenhang mit ihrer politischen Arbeit brachte. Eine Antwort von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Landtag steht noch aus.

 Jenna Behrends wehrte sich gegen sexuelle Belästigung in der Berliner Bezirksverordnetenversammlung.

Jenna Behrends wehrte sich gegen sexuelle Belästigung in der Berliner Bezirksverordnetenversammlung.

Foto: dpa, kes hjb

Dass Frauen nicht zuvorderst nach ihren Leistungen, sondern nach ihrem Aussehen beurteilt und dabei nicht selten auch abgeurteilt werden, basiert auf jahrhundertealten Stereotypen. Neu ist aber, dass diese Frauen sich öffentlich immer häufiger zur Wehr setzen. Und dass die Öffentlichkeit darauf sensibel reagiert.

Einer der jüngsten prominenten Fälle war der von Jenna Behrends, 26-jährige CDU-Lokalpolitikerin aus Berlin. Sie hatte im Oktober 2016 mit einem offenen Brief auf dem feministischen Online-Magazin "Edition F" Aufsehen erregt, in dem sie den Sexismus in ihrer eigenen Partei anprangert. Behrends, die in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Mitte sitzt, hatte darin unter anderem davon berichtet, dass sie von Frank Henkel, damals Innensenator und Landesverbandsvorsitzender, als "große süße Maus" bezeichnet worden sei.

Zudem sei ihr unterstellt worden, sie wolle sich für den Sitz in der BVV "hochschlafen", ihr seien mehrere Affären angehängt worden. Henkel äußerte sich daraufhin enttäuscht über die Form des öffentlichen Briefes und offenbarte den Wunsch, das Ganze mit Behrends persönlich zu klären. Besonders problematisch: Das Ganze sei Behrends, so schreibt sie, von Parteikollegen als "Teil des politischen Auswahlprozesses" erklärt worden — wer damit nicht klar komme, sei nicht für die Politik geeignet.

 Katja Suding ist stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP.

Katja Suding ist stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP.

Foto: dpa, dan gfh

Auch an der Eignung von Katja Suding, FDP-Parteivorsitzende in Hamburg, wurde öffentlich gezweifelt, indem sie auf ihr Äußeres reduziert wurde. Nachdem die Hamburger FDP mit Suding als Spitzenkandidatin bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 7,4 Prozent geholt hatte, verstieg sich der baden-württembergische Grünen-Politiker Jörg Rupp bei Twitter zu dem bemerkenswerten Satz: "Muss man sich mal vorstellen: mit Titten und Beinen anstatt Inhalten."

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten und kam auch aus den eigenen Reihen. Rupp entschuldigte sich noch am gleichen Abend, er habe die sexistische Wahlkampagne der FDP anprangern wollen und sich dabei leider selbst sexistisch geäußert.

Für Suding war der Fall damit erledigt, sie ist mittlerweile zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP aufgestiegen. Rupp hingegen trat noch 2015 aus dem Parteirat der Grünen in Baden-Württemberg zurück.

 Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Foto: rtr, MDA/STN

Sexismus betrifft auch Politikerinnen in höchsten Ämtern, wie etwa Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Harald Kujat, Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, hatte 2014 ihr Modernisierungsprogramm kritisiert und gesagt, von der Leyen habe "ganz offensichtlich keine Ahnung vom Militär". Sie komme ihm vor "wie eine gute Hausfrau, die ihre Kinder versorgt". Wenig später entschuldigte er sich dafür.

Der Sexismus-Vorfall, der in den letzten Jahren am intensivsten diskutiert wurde, betraf indes keine Politikerin. Im Mittelpunkt stand vielmehr die "Stern"-Reporterin Laura Himmelreich, die den FDP-Politiker Rainer Brüderle im Januar 2013 unter dem Titel "Der Herrenwitz" porträtiert und dabei unter anderem mit dem ihr gegenüber gefallenen Satz "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen" zitiert hatte.

Über ein Jahr schwieg Brüderle dazu, den Satz dementierte er nicht, entschuldigt hat er sich bis heute nicht. Stattdessen warf er dem "Stern" und seiner Reporterin vor, den Artikel bewusst platziert zu haben — nämlich kurz nach seiner Wahl zum FDP-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.

 FDP-Politiker Rainer Brüderle und die "Stern"-Journalistin Laura Himmelreich.

FDP-Politiker Rainer Brüderle und die "Stern"-Journalistin Laura Himmelreich.

Foto: dpa, Hermann Pentermann

Himmelreich löste mit ihrem Artikel eine gesamtgesellschaftlich geführte Debatte zum Thema Sexismus aus, die Feministin Anne Wizorek prägte nur einen Tag nach Erscheinen des Textes den viralen Twitter-Hashtag "Aufschrei", unter dem binnen kürzester Zeit zehntausende Frauen und Männer ihre Erfahrungen mit Sexismus im Alltag teilten.

Auch in der Wirtschaft kommt Sexismus häufig vor, wird jedoch wegen der Abhängigkeitsverhältnisse seltener bekannt. Der jüngste prominente Fall betrifft den amerikanischen Taxi-Konkurrenten Uber. Die ehemalige Mitarbeiterin Susan J. Fowler machte öffentlich, sie sei von einem Vorgesetzten belästigt worden.

 Clemens Börsig war 2011 Deutsche-Bank-Finanzchef.

Clemens Börsig war 2011 Deutsche-Bank-Finanzchef.

Foto: dapd

Sie hatte als Programmiererin bei Uber gearbeitet und sei von Anfang an von ihrem Vorgesetzten aufgefordert worden, mit ihm ein Verhältnis zu beginnen. Die Personalabteilung habe nur abgewinkt, der Beschuldigte sei ein Leistungsträger, sie selbst könne aber das Team wechseln, wenn sie wolle.

Unternehmensgründer Travis Kalanick ordnete eine Untersuchung an und schrieb in einem Firmen-Blog: Es sei "absolut kein Platz für diese Art von Verhalten bei Uber”, so Kalanick. "Und jeder, der sich so verhält oder denkt, dass es in Ordnung ist, wird gefeuert."

Dass Chefs sich von Sexismus distanzieren, hat noch keine allzu lange Tradition. Davon zeugen verschiedene Äußerungen wichtiger Protagonisten auch der deutschen Wirtschaft. Legendär ist inzwischen der Satz des früheren Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann, der 2011 sagte: Mit Frauen im Vorstand der Bank würde es dort "farbiger und schöner". CSU-Politikerin Ilse Aigner, damals Verbraucherschutzministerin konterte prompt: "Wer es farbiger und schöner mag, soll auf eine Blumenwiese gehen oder ins Museum." Der Vorstand der Bank war damals frauenfrei.

Ackermann immerhin hatte nicht wiederholt, was 2001 der damalige Deutsche-Bank-Finanzchef Clemens Börsig gesagt hatte: Frauen sollten nicht nur vertikal, sondern auch "horizontal" Ambitionen entwickeln.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort