SPD-Wahlprogramm Viel Gerede, wenig Konkretes

Berlin · Die Strategie des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz scheint zu sein: Möglichst lange möglichst wenig konkrete Inhalte des Wahlprogramms benennen. Konturen zeichnen sich bislang nur wegen des Wahlkampfs in NRW ab - ein analytischer Überblick.

 Martin Schulz bei einem Wahlkampfauftritt.

Martin Schulz bei einem Wahlkampfauftritt.

Foto: afp

Der bisherige Wahlkampf der SPD setzt vor allem auf das Bauchgefühl der Menschen: mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Anerkennung der "arbeitenden Mitte", weniger Hass und Hetze. Wie das Bundesprogramm konkret aussehen soll, lässt sich bislang zumindest nur an einzelnen Punkten absehen, die auch beim Wahlkampf im Vorfeld der NRW-Landtagswahl im Mai eine Rolle spielen.

Arbeitsmarkt Bei der Gestaltung des Arbeitsmarktes haben die Sozialdemokraten schon die meisten Pflöcke eingeschlagen. Die für viele überraschende Botschaft: Wir wollen weitere Teile der als ungerecht empfundenen Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 korrigieren. Kanzlerkandidat Martin Schulz kündigte dafür an, das Arbeitslosengeld I zu verlängern, die Möglichkeit befristeter Arbeitsverträge einzuschränken und - gegen den Widerstand der Arbeitgeber - die berufliche Weiterbildung in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit zu rücken.

Die Vorsitzende des Arbeitsausschusses im Bundestag, Kerstin Griese (SPD), möchte zudem mit der "Entgeltsicherung" eine Möglichkeit für ältere Arbeitnehmer wiederbeleben, die 2011 ausgelaufen war. "Wir brauchen eine Rückkehr zur Entgeltsicherung. Dies würde den Anreiz für Arbeitslosengeld-I-Empfänger deutlich erhöhen, einen neuen Job anzunehmen, auch wenn dieser schlechter bezahlt ist", sagte Griese unserer Redaktion.

Die Entgeltsicherung sorge dafür, dass die Lohndifferenz zum Teil erstattet werde und die Arbeitslosen- sowie die Rentenversicherung auf dem Niveau der alten, besser bezahlten Stelle weiterliefen. "Das wäre für die Beschäftigung Älterer eine große Hilfe", betonte Griese. Nach der bis 2011 geltenden Regelung zahlte die Bundesagentur für Arbeit einen zeitlich befristeten Zuschuss zum Lohn. Dieser betrug im ersten Jahr 50 Prozent und im zweiten Jahr 30 Prozent der monatlichen Nettoentgeltdifferenz zur vorherigen Arbeitsstelle.

Gesundheit Bereits zwei Bundestagswahlkämpfe hat die SPD eher erfolglos mit der Bürgerversicherung bestritten. Trotzdem soll sie auch in diesem Wahlkampf groß gespielt werden. Die Idee: Auch Selbstständige, Beamte und Gutverdiener sollen nach und nach in die gesetzliche Krankenversicherung geholt werden.

Zugleich soll die Beitragsbemessungsgrenze steigen, so dass Arbeitnehmer mit hohen Gehältern auch mehr für ihre Gesundheitsversicherung zahlen müssten. Außerdem sollen auch Einnahmen aus Mieten, Zinsen und Wertpapieren für die Berechnung des Krankenkassenbeitrags herangezogen werden.

Durch diese zusätzlichen Einnahmen könnte der Beitragssatz sinken, was insbesondere die unteren und mittleren Einkommen entlasten würde. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte die Bürgerversicherung Anfang des Jahres "eines der zentralen und positiven Vorhaben für Rot-Rot-Grün" und kündigte eine Verankerung im SPD-Wahlprogramm an.

Rente Arbeitsministerin Andrea Nahles hat angekündigt, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2045 auf mindestens 46 Prozent bleiben soll. Der Beitragssatz solle in dieser Zeit nicht über 25 Prozent steigen. Entsprechende "Haltelinien", wie Nahles sie nennt, werden sich voraussichtlich auch im SPD-Wahlprogramm finden, wobei über die genaue Formulierung noch intern gerungen wird.

Ob es im Programm tatsächlich eine Festlegung auf ein bestimmtes Rentenniveau geben soll, ist nach Informationen unserer Redaktion in der SPD umstritten. Darüber hinaus halten die Sozialdemokraten an ihrer Idee einer Solidarrente für Geringverdiener fest: Wer lange gearbeitet, Kinder erzogen oder sich um pflegebedürftige Angehörige gekümmert hat, soll eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus erhalten.

Familie Kanzlerkandidat Martin Schulz und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) planen einen gemeinsamen Aufschlag, bei dem sie bundesweit beitragsfreie Kindergärten in Aussicht stellen wollen. Allein für die Betreuung der Drei- bis Sechsjährigen würde dies rund sechs Milliarden Euro kosten.

Außerdem müsste ein Modell gefunden werden, wie der Bund erneut den Ländern dafür Geld zuschustert - gegen die bis dato geltenden Regeln des Föderalismus. Auf der Agenda hat die SPD zudem ein neues Bau-Kindergeld, das jungen Familien beim Erwerb der eigenen vier Wände helfen soll.

Verkehr In der Verkehrspolitik der Bundesregierung ist in den kommenden Monaten noch viel Bewegung: Die von der CSU befeuerte Pkw-Maut soll endgültig verabschiedet werden, gleichzeitig gibt es einen Koalitionsstreit um die mögliche Privatisierung von Autobahnen.

Im Wahlprogramm wollen sich die Sozialdemokraten nach Angaben des Verkehrsausschuss-Chefs Martin Burkert (SPD) vor allem auf diese Punkte konzentrieren: deutlich mehr Verkehr auf die Schiene verlagern, etwa durch günstigere Trassengebühren, und mehr Investitionen in die Infrastruktur. "Dafür könnte durchaus ein Teil der 36 Milliarden Euro verwendet werden, die jetzt in die Rücklage geflossen sind", sagte Burkert.

(RP)
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