Analyse zu den Plagiatsvorwürfen Professor Lammert hat ein Schummel-Problem

Berlin · Norbert Lammert liebt schöne Formulierungen. Und er mag es, wenn man ihm dabei zuhört. Im Deutschen Bundestag genießt der Parlamentspräsident stets die volle Aufmerksamkeit der Abgeordneten, wenn er sich grundsätzlich zu Fragen des Vertrauens in die Politik und in die Demokratie äußert. Dann ist der 64-jährige Sozialwissenschaftler besonders engagiert und wortgewaltig. Nun steckt Lammert selbst in einer Vertrauenskrise.

Politiker und Plagiats-Affären
18 Bilder

Politiker und Plagiats-Affären

18 Bilder
Foto: dpa, mg lof

Die Plagiatsvorwürfe gegen den protokollarisch zweiten Mann im Staat sind durchaus ernst zu nehmen. Neben Schlampereien, die einen jungen Doktoranden im Wissenschaftsbetrieb der 70er-Jahre nachzusehen sind, enthält seine Dissertation auch Fundstellen, die als Plagiat gewertet werden könnten, wie die im Internet veröffentlichten Beispiele zeigen. Lammert hat in seiner Doktorarbeit Gedankengut anderer Autoren als seines verkauft und auf die exakte Quellenangabe verzichtet. Ob wissentlich oder fahrlässig, ist zumindest für die Bewertung der Arbeit zweitrangig. Plagiate können auch in einem geringerem Umfang zum Verlust des Doktortitels führen, wie das Beispiel Annette Schavan gezeigt hat.

Auch dass die Arbeitsmethoden vor 40 Jahren andere waren, ist ein richtiger Hinweis, aber keine Rechtfertigung. Der Züricher Plagiatsforscher Philipp Theisohn hat dies neulich in einem beachtlichen Vortrag vor dem Wissenschaftsrat deutlich gemacht. Es habe schon immer so etwas "wie eine Kultur des wissenschaftlichen Wohlverhaltens" gegeben und es sei immer klar gewesen, dass man das geistige Eigentum anderer dort, wo man es in seine eigenen Texte aufnimmt, anzugeben hat, sagte er. Der Nürnberger Plagiateforscher Martin Heidingsfelder, Mitgründer des Internet-Netzwerks "VroniPlag" hält die nun veröffentlichten Textstellen bereits für einen "Rücktrittsgrund".

Nun war es ausgerechnet Norbert Lammert, der am 22. Februar 2011 die Plagiatsaffäre rund um den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und dessen Umgang mit den Vorwürfen als "Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie" bezeichnet hatte. Drunter macht es ein Lammert meist nicht. Jetzt kann er selbst beweisen, dass ihm das Vertrauen in die Politik(er) ein Herzensanliegen ist. Den Honorarprofessor, den Lammert 2008 von der Universität Bochum erhalten hat, sollte Lammert ruhen lassen. Die Hochschule kann kaum gegen ihren eigenen Professor ein unabhängiges Verfahren einleiten. Lammert sollte dies also von sich aus anbieten. Eine ehrliche, umfassende Aufklärung ist der einzige richtige Umgang mit einer Plagiatsaffäre. Auch das konnte man bei Guttenberg lernen.

(brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort