Abbau der kalten Progression Finanzminister will Topverdiener bei Steuerentlastungen offenbar ausnehmen

Berlin · Bundesfinanzminister Christian Lindner hält an seinen Plänen für Steuerentlastungen durch einen Abbau der sogenannten kalten Progression bei der Einkommensteuer fest. Bei seinem Vorschlag will er SPD und Grünen offenbar entgegenkommen.

Bundesfinanzminister Christian lindner (FDP) (Archivfoto).

Bundesfinanzminister Christian lindner (FDP) (Archivfoto).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Im Düsseldorfer „Handelsblatt“ kritisierte Lindner zugleich die diesbezügliche Zurückhaltung bei SPD und Grünen. Allerdings hatte Lindner selbst am Wochenende von fehlenden finanziellen Spielräumen gesprochen - wenn auch bezogen auf andere Vorhaben wie eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket.

Um SPD und Grünen entgegenzukommen, will Lindner Superreiche offenbar von den von ihm geplanten Steuerentlastungen ausnehmen. „Im Unterschied zu meinem sozialdemokratischen Vorgänger würde ich den Eckwert der Reichensteuer nicht verschieben“, sagte der Finanzminister dem „Handelsblatt“.

Der Begriff kalte Progression bezeichnet den Effekt, dass jemand durch eine Lohnerhöhung, die lediglich die Inflation ausgleicht, in einen höheren Steuertarif rutscht und somit letztlich bezogen auf die Kaufkraft weniger Geld in der Tasche hat. Lindner will dies ausgleichen, aus SPD und Grünen gibt es dagegen Stimmen, die stattdessen zielgerichtete Entlastungen für Menschen mit wenig Geld fordern. Begründet wird dies damit, dass ansonsten Gutverdiener von Steuersenkungen am stärksten profitieren würden.

Lindner sprach mit Bezug darauf von einem „bisweilen klassenkämpferischen Ton“ in der Debatte. „Die Gegner nehmen die Mitte der Gesellschaft in Geiselhaft, weil sie die IT-Spezialistin, den Herzchirurg und den Unternehmer am liebsten belasten wollen“, sagte er dem „Handelsblatt“. Von der von ihm geplanten Änderung des Tarifverlaufs bei der Einkommensteuer würden „kleine und mittlere Einkommen relativ am stärksten“ profitieren, sagte er.

Durch eine Umsetzung seiner Pläne erwartet Lindner laut „Handelsblatt“ Einnahmeausfälle allein für den Bund im Umfang eines hohen ein- oder niedrigen zweistelligen Milliarden-Beitrages. „Im Haushaltsentwurf 2023 habe ich für diese Maßnahme Vorsorge getroffen“, sagte der Minister.

Ein Gegenvorschlag der SPD sieht Entlastungen durch staatliche Direktzahlungen vor. Ihr finanzpolitischer Sprecher Michael Schrodi rechnet laut „Handelsblatt“ in einem Brief an die Fraktion vor, dass davon rund 90 Prozent der Bevölkerung stärker profitieren würden als von einer Einkommenssteuersenkung.

Bundesfinanzminister Christian Lindner will einem Magazinbericht zufolge für nächstes Jahr ein Entlastungspaket von 10,1 Milliarden Euro schnüren. Inflationsgewinne des Staates sollten an die Bürger zurückgegeben, zudem das Kindergeld erhöht werden, berichtete der „Spiegel“ am Montag. 2024 sei dann mit einer Entlastung im Umfang von rund vier Milliarden Euro zu rechnen. Lindner wolle sein Konzept noch diese Woche vorstellen.

Konkret soll der steuerliche Grundfreibetrag von derzeit 10.348 Euro auf 10.633 Euro im nächsten Jahr und auf 10.933 Euro im übernächsten Jahr steigen. Der Spitzensteuersatz, der gegenwärtig bei einem zu versteuernden Einkommen von 58.597 Euro einsetzt, solle 2023 erst bei einer Größenordnung von 61.972 Euro greifen, ein Jahr später bei 63.521 Euro. Das Kindergeld für die beiden ersten Kinder solle 2023 um acht Euro auf dann 227 Euro zulegen. Für das dritte Kind würden Eltern zwei Euro mehr bekommen, dann ebenfalls 227 Euro. Für das vierte Kind soll es bei 250 Euro bleiben. 2024 würde das Kindergeld für die ersten drei Kinder noch einmal um sechs Euro steigen.

(ahar/AFP/rtr)
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