Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans „Wir haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt“

Berlin · Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans sieht die Volksparteien im „Prozess der Kernschmelze“ und sagt, die CDU habe beim Thema Klimaschutz zu sehr herumlaviert.

 Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans fordert eine Erneuerung der CDU.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans fordert eine Erneuerung der CDU.

Foto: dpa/Soeren Stache

Welche Konsequenzen müssen für die CDU aus diesem Wahlergebnis folgen?

Hans Wir stecken als Volkspartei in einer handfesten Krise. Der Prozess der Kernschmelze, in den die Volksparteien europaweit geraten sind, hat Deutschland erfasst. Auch die CDU ist davon betroffen. Deswegen brauchen wir einen konsequenten Erneuerungsprozess.

Die Forderung nach Erneuerung hört man als Ritual stets, wenn eine Partei schlecht abgeschnitten hat. Reicht das als Strategie?

Hans Wir treffen uns am kommenden Wochenende zu einer Klausurtagung, um offen zu beraten. Wir werden uns der Tatsache stellen müssen, dass wir der einen oder anderen Herausforderung in diesem Europawahlkampf schlicht nicht gewachsen waren.

Stichwort Klimaschutz . . .

Hans Wir konnten beim Thema Klimaschutz nicht die richtigen Antworten geben, obwohl die Bewahrung der Schöpfung zur DNA der CDU gehört. Die CDU hat die ersten Bundesumweltminister gestellt. Wir haben den Atomausstieg beschlossen. In diesem Wahlkampf aber haben wir fatalerweise das Feld den Grünen überlassen. Es geht nicht darum, dass wir jetzt den Grünen nacheifern wollen. Wir müssen nur zu unseren Wurzeln zurückkehren. Wir müssen eigene Konzepte entwickeln, uns für klimaneutrale Städte einsetzen. Wir haben beim Thema Klimaschutz zu sehr herumlaviert.

Vor zehn Jahren stand Merkel bei den jungen Wählern hoch im Kurs. Was ist schiefgelaufen, dass die CDU die Jugend verloren hat?

Hans Wir müssen die jungen Menschen dort abholen, wo sie stehen. In den vergangenen Jahren sind wir dem Trugschluss aufgesessen, dass Jugendliche mit fortschreitendem Alter von alleine zu den Volksparteien kommen. Das ist fatal. Wir müssen junge Menschen ernst nehmen. Dass wir mit einem elfseitigen pdf-Dokument auf Kritik aus dem Netz reagiert haben, ist ein Beispiel dafür, wie verkrampft wir vorgehen.

Haben Sie deswegen so viele Wähler verloren?

Hans Wir haben in zwei Richtungen verloren. An die Grünen, weil wir die Zeichen der Zeit nicht erkannt und ungeschickt agiert haben. Das fing an mit dem Upload-Filter, als wir in der Netzpolitik an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen vorbeigearbeitet haben. Im Osten der Republik haben wir auch nach rechts verloren. Es ist uns nicht gelungen, mit unseren traditionellen Themen innere Sicherheit und Schutz der Außengrenzen durchzudringen.

Sollte die CDU zum Zeichen der Erneuerung, das Kabinett umbilden und politische Projekte jenseits des Koalitionsvertrags anschieben?

Hans Nein. Es würde die Menschen abschrecken, wenn wir als Antwort auf eine schwieriges Wahlergebnis das Personalkarussell antreiben. Die Lösung des Problems ist, dass das Erscheinungsbild der Regierung besser wird. Unser Ziel muss auch sein, in der Bundesregierung das umzusetzen, was wir vereinbart haben, anstatt wie bei der Grundrente öffentlich über die Details zu streiten. Zugleich kann die CDU mit Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzender die Agenda setzen. Dafür ist die Doppelspitze aus Kanzlerin und Parteivorsitzender eine riesige Chance.

Was muss geschehen, um das deutsch-französische Verhältnis zu verbessern?

Hans Wir müssen beidseitig akzeptieren, dass es auch nationale Interessen gibt. Mein Eindruck ist, dass wir die Franzosen nerven – mit unserer Unsicherheit nicht zu wissen, wo wir stehen und welche Rolle wir in der Welt übernehmen. Deshalb sollten wir über die Rolle des Nationalstaats in der Europäischen Union reden. Wenn die nationalen Interessen geklärt sind, können wir auch mit Frankreich besser als Tandem in der EU auftreten. Deswegen war die selbstbewusste Antwort von Annegret Kramp-Karrenbauer auf den französischen Präsidenten Macron richtig. Damit haben wir uns in Frankreich Respekt verschafft.

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