Union Volkspartei in Gefahr

Berlin · Die Union hat bei der Europawahl mit 28,9 Prozent ihr bundesweit jemals schlechtestes Ergebnis eingefahren. Sie konnte die Jugend nicht erreichen und hatte beim Thema Nummer eins, dem Klimaschutz, nichts anzubieten. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer kündigt einen Prozess der Neuordnung an.

Opposition ist Mist, Franz Münteferings Mahnung an seine SPD ist legendär. Mist ist aber auch ein Europawahlergebnis unter 30 Prozent für die regierende Volkspartei CDU. Auf diesen gemeinsamen Nenner ist die CDU-Führung am Montag in ihrer Vorstandssitzung in Berlin gekommen, wie Teilnehmer anschließend berichteten. Nun braucht die CDU jemanden, der die Bremse reinhaut, um den freien Fall zu verhindern, - und gleichzeitig den Karren am Laufen hält.

Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt sich bereit dazu  und bekennt sich zu eigenen Fehlern in ihren ersten sechs Monaten als Parteivorsitzende. Sie plane keine personellen Veränderungen in Spitzenpositionen, sagt sie. Das schließt sowohl persönliche Konsequenzen als auch Gedanken über eine Kabinettsumbildung ein. „Köpfe anstrengen, nicht austauschen“ , ist die Losung. Erst einmal. Menschlich wird Politik immer dann, wenn keine Sprechblasen abgegeben werden. In der langen Pressekonferenz, in der es um das schwache Abschneiden der Partei bei der Jugend und um nichts weniger als die Rettung der Volkspartei geht, sagt die CDU-Chefin, 56 Jahre alt, Mutter von drei Kindern irgendwann: „Das ganze Leben besteht aus Fehlern. Ansonsten kann man es auch gleich sein lassen.“ Ein Raunen, vielmehr ein Lachen, durchzieht das Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses. 

Kramp-Karrenbauer räumt ein, dass es der Union nicht gelungen sei, eigene Kompetenzthemen in den Mittelpunkt zu stellen. Und das Thema, das im Mittelpunkt stand, der Klimaschutz, wurde von der CDU nicht offensiv angegangen. Die Kommunikation mit der YouTube-Generation sei auch misslungen, wie der unbeholfene Umgang mit dem millionenfach abgerufenen Video „Zerstörung der CDU“ von @rezomusik gezeigt habe. Schließlich habe sich durch Äußerungen der JU, der WerteUnion, aber auch durch eigene Interviews ein Image der CDU verfestigt, sie sei nach rechts gerückt. Kramp-Karrenbauer sagt zwar, das stimme nicht, aber thematisch ist diese Beobachtung nachzuzeichnen, allen voran bei der Migrationspolitik. Vielleicht meinte sie diese Interview-Äußerung, wonach ihrer Ansicht nach notfalls („ultima ratio“) die Grenze geschlossen werden müsse, wenn noch einmal so viele Flüchtlinge kommen wollten wie 2015.  Am Nein der Kanzlerin zu einer Grenzschließung wäre fast die Regierung zerbrochen. Kramp-Karrenbauer ging dazu auf Distanz.

Möglicherweise hatte JU-Chef Tilman Kuban ein wichtiges Wort in einer CDU-internen Wahlanalyse übersehen, wonach es einen „vermeintlichen“ – also einen irrtümlich vermuteten - Rechtsruck bei der JU gegeben habe. Jedenfalls polterte er schnell in der „Welt“: „Das eigene Haus hat in der letzten Woche völlig versagt, und jetzt sollen andere schuld sein?“ Die Nerven liegen blank. Kramp-Karrenbauer erklärt, es stelle sich jetzt die Frage: „Taugt das Konzept der Volkspartei für die Zukunft?“ Und antwortet: „Diesen Beweis wollen wir antreten.“ Der Prozess der Neuordnung werde keine schnelle Operation sein. Aber der Anfang werde bereits bei der Vorstandsklausur am Sonntag und Montag gemacht – mit "ersten konkreten Schritten beim Klimaschutzgesetz".

Es gibt aber auch Licht für die CDU. In Bremen, wo sie die SPD-Hochburg gestürmt hat. Der frische Wahlsieger will sich hüten, als Quereinsteiger, der er ist, nun der Bundespartei gleich Tipps zu geben. Und dann macht Carsten Meyer-Heder genau das: Er gibt einen Rat. Dabei geht es dem 58-jährigen Softwareexperten nicht um Finessen der Digitalisierung, damit sie Kontakt zur Jugend bekommt. Er rät zu einer Politik der direkten Ansprache. Rezo hätte er schnell geantwortet, sagt er. Über YouTube. Und er ermutigt, das ist womöglich entscheidender, zu einer anderen Art der Politik: „mit Augenzwinkern“. 

(kd)
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