Internationaler Gerichtshof Deutschland klagt wegen NS-Opfer-Entschädigung gegen Italien

Den Haag/Berlin/Rom · Immer wieder lassen italienische Gerichte Prozesse auf Entschädigung einzelner NS-Opfer zu. Und das, obwohl der Internationale Gerichtshof dies längst für unzulässig erklärt hat. Nun geht Deutschland einen außergewöhnlichen Schritt und verklagt vor dem IGH seinen engen Partner Italien.

 Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag (Archivbild).

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag (Archivbild).

Foto: dpa/Peter Dejong

Im jahrelangen Rechtsstreit um die Entschädigung von NS-Opfern im Zweiten Weltkrieg hat Deutschland Klage gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) eingereicht. Die Bundesregierung wendet sich dagegen, dass Italien weiterhin Klagen von Angehörigen der Opfer deutscher Kriegsverbrechen auf Einzel-Wiedergutmachung zulässt, obwohl der Gerichtshof dies längst für unzulässig erklärt hat, wie dieser in Den Haag mitteilte.

Eine solche Auseinandersetzung vor Gericht zwischen zwei so engen Partnerländern ist sehr ungewöhnlich. Deutschland geht diesen Schritt, weil ihm die Zwangsversteigerung von Immobilien in Rom droht, nachdem es Urteile nicht umgesetzt hat. In ihnen war es zur Zahlung von Einzel-Wiedergutmachungen verurteilt worden. Der Gerichtshof in Rom will darüber voraussichtlich am 25. Mai entscheiden, wie aus der deutschen Klageschrift für das Verfahren beim IGH hervorgeht.

Um dies zu verhindern, hat Deutschland vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Betroffen sind der Klageschrift zufolge die Gebäude des Goethe Instituts, der Deutschen Schule, des Deutschen Archäologischen Instituts und des Deutschen Historischen Instituts in Rom.

Die deutsche Wehrmacht und die SS hatten im Zweiten Weltkrieg bei ihrem Rückzug aus Italien an vielen Orten gewütet. Dabei wurden auch viele Italiener ermordet.

Bereits 2012 hatte der Internationale Gerichtshof nach einer Klage Deutschlands entschieden, dass Deutschland italienische NS-Opfer nicht individuell entschädigen müsse. Entsprechende Urteile italienischer Gerichte seien unwirksam. Deutschland pocht mit seiner Klage nun darauf, dass Italien das im Urteil vor zehn Jahren festgestellte Prinzip der Immunität von Staaten bei Zivilklagen in anderen Staaten anerkennt.

Ungeachtet des IGH-Urteils von 2012 hatte 2014 der italienische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass Nazi-Opfer die Bundesrepublik grundsätzlich auf Entschädigung verklagen können. Eine Regelung, die derartige Klagen ausschließe, sei verfassungswidrig. Das Prinzip der Immunität von Staaten gelte nicht im Fall von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seit diesem Urteil hat es etwa 25 neue Verfahren gegen Deutschland gegeben.

Ausländische Opfer des Nazi-Regimes hatten nach dem Zweiten Weltkrieg lange auf eine politische Einigung über Entschädigungszahlungen warten müssen. Erste sogenannte Globalabkommen mit europäischen Staaten wurden zwischen 1959 und 1964 geschlossen.

Das Abkommen mit Italien wurde am 2. Juni 1961 unterzeichnet. Der Vertrag über eine Zahlung von 40 Millionen D-Mark trat im Juli 1963 in Kraft. Rom sollte das Geld an Italiener verteilen, die „aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen“ betroffen waren und „Freiheitsschäden oder Gesundheitsschädigungen erlitten“ hatten. Hinterbliebene von Opfern sollten ebenfalls bedacht werden.

(felt/dpa)
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