Nach Lieferstopp für Polen und Bulgarien DIHK-Präsident warnt vor Gefahr für Wirtschaftsstandort Deutschland durch mögliches Gasembargo

Exklusiv | Berlin · In der Wirtschaft wächst die Sorge vor einem möglichen Stopp der russischen Gaslieferungen. DIHK-Präsident Peter Adrian sieht spätestens im Herbst Versorgungsengpässe voraus, sollte es wirklich dazu kommen. Viele Unternehmen würde das in Bedrängnis bringen, der Wirtschaftsstandort Deutschland wäre bedroht, so Adrian.

 DIHK-Präsident Peter Adrian.

DIHK-Präsident Peter Adrian.

Foto: dpa/Michael Kappeler

DIHK-Präsident Peter Adrian sieht im Falle eines russischen Gas-Lieferstopps eine gefährliche Entwicklung für die deutsche Wirtschaft voraus. „Ein Gasembargo wäre eine gefährliche Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Arbeitsplätze“, sagte Adrian unserer Redaktion. „Ohne russische Gaslieferungen drohen hierzulande spätestens im Herbst große Versorgungsengpässe. Rationierungen und Abschaltungen ganzer Betriebe wären die Folge“, warnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Nach der Entscheidung des Bundestags und der Bundesregierung, schwere deutsche Waffen in die Ukraine zu liefern, ist ein Stopp der russischen Gaslieferungen auch nach Deutschland wahrscheinlicher geworden. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte in dieser Woche bereits Polen und Bulgarien den Gashahn zugedreht. Beide Länder beziehen eine deutlich geringere Menge an russischem Gas als Deutschland. Offiziell begründet wurde der Lieferstopp damit, dass beide Länder ihre Gas-Rechnungen nicht wie von Putin verlangt in Rubel, sondern weiterhin in Euro bezahlt haben. Deutsche Unternehmen wie Uniper versuchen derzeit, bei der russischen Gazprom-Bank ein Konto einzurichten, auf das sie Rechnungsbeträge in Euro einzahlen sollen. Die Gazprom-Bank würde die Beträge in Rubel umwandeln. Putin will so die russische Währung stützen. Allerdings würden die EU-Sanktionen gegen Russland dadurch mindestens teilweise konterkariert. Das Verfahren wäre aber dennoch konform mit den EU-Regeln, wie das Bundeswirtschaftsministerium erklärte. Das Vorgehen der EU und von Uniper ist umstritten.

„Es kann aber bereits jetzt zu kurzfristigen Engpässen kommen, trotz steigender Speicherfüllstände und des saisonbedingt verringerten Heizwärmebedarfs. Denn einige Teile unserer Versorgungsinfrastruktur sind auf russische Gasflüsse ausgelegt“, sagte DIHK-Chef Adrian. „Darüber hinaus würde der kurzfristig zu erwartende Preisanstieg die Kostenspirale auf dem schon jetzt immens hohen Niveau gefährlich weiterdrehen“, sagte er. „Die Situation in vielen Betrieben ist heute bereits dramatisch. Musste beispielsweise ein mittleres Unternehmen aus der Glasindustrie 2015 im Schnitt 100.000 Euro pro Monat für seine Energieversorgung bezahlen, so ist aktuell vielfach mehr als das Sechsfache des Betrages fällig“, so der Verbandschef. „Eine solche Kostensteigerung an die Kunden weiterzugeben, dürfte kaum gelingen. Über die Produktions- und Logistikketten wären aber nicht nur einzelne Betriebe betroffen, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft“, sagte Adrian.

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