"Wähler an der Nase herumgeführt" Ex-CDU-Chef bemängelt "Klüngel" bei Prodi-Nachfolge

München (rpo). Das Gerangel um einen Prodi-Nachfolger sei eine "Klüngel"-Entscheidung, meint zumindest der frühere Bundestagspräsident Rainer Barzel (CDU). Die Wähler würden an der "Nase herumgeführt".

Er hat das Gerangel um den künftigen EU-Kommissionspräsidenten als "Klüngel"-Entscheidung der europäischen Staats- und Regierungschefs kritisiert. Nur wenige Tage nach der Europawahl erlebten die Wähler ihre eigene Machtlosigkeit, sagte der Politiker und Publizist am Sonntag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP. "Da hat man doch die Wähler richtig an der Nase rumgeführt."

Das Vorgehen zeige den Bürgern Europas: "Nach der Wahl entscheiden die Regierungschefs im Wege des Klüngels." Die Wahlbeteiligung an der Europawahl, die in Deutschland nur bei 43 Prozent lag, werde so nicht gefördert. Barzel kritisierte zudem, dass seit der Bundestagswahl 2002 Wahlen in Stimmungstests für die Regierung umfrisiert würden.

Den Grund für das historische Tief der SPD bei den jüngsten Wahlen sah der ehemalige CDU-Chef darin, dass die Bundesregierung die Wähler an Reformen nicht mitwirken lasse. Rot-Grün wolle die Menschen mitnehmen, was aber nicht möglich sei. "Erwachsene sind in der Politik und auch im Leben bestenfalls bereit mitzugehen - wenn man sie überzeugt hat und sie mitwirken können", sagte Barzel. "Das alles ist ausgeblieben. Das hat die Regierung vergessen." Die Mehrheit der Menschen sei nur bereit mitzugehen, "wenn sie mitreden und mitentscheiden dürfen".

Barzel feiert am (heutigen) Sonntag seinen 80. Geburtstag. In seiner langen politischen Karriere saß der promovierte Jurist rund 30 Jahre im Bundestag und war zweimal Minister. Als CDU-Chef verfehlte er 1972 nur knapp die Ablösung Willy Brandts als Bundeskanzler. Zum Festakt in der Münchner Residenz werden 170 geladene Gäste erwartet. Die Laudatio hält der frühere SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt.

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