Wahlkampf 2.0 Die SPD setzt auf das Internet

Berlin (RP). Im Nordflügel der SPD-Parteizentrale, der "Nordkurve”, schmiedet Franz Münteferings Wahlkampfchef Kajo Wasserhövel das Profil für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Der Bocholter Sozialdemokrat setzt dabei voll auf das Internet. Wasserhövel will den virtuellsten Wahlkampf der Parteigeschichte inszenieren.

So macht die SPD Wahlkampf im Internet
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Wer Karl-Josef Wasserhövel "anstubsen” will, braucht nur einen Internetzugang. Der Wahlkampfchef der SPD, enger Vertrauter des Parteivorsitzenden Franz Müntefering, ist Mitglied im Internet-Portal "Facebook”. Das Online-Netzwerk ist so etwas wie ein globaler Freundeszirkel, 130 Millionen Menschen diskutieren, reden und flirten dort täglich. Findet man Bekannte über die Suchmaske, kann man sie per Klick "anstubsen”, so heißt das "anfreunden” in der virtuellen Welt. Und Kajo Wasserhövel macht mit.

Internet ist das Leitmedium

"Das Internet ist für mich zum Leitmedium geworden”, sagt der 46-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Augen des stets als zurückhaltend und verschlossen beschriebenen Politikers leuchten. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet Wasserhövel an der Seite, besser im Hintergrund von Franz Müntefering, war Redenschreiber, Büroleiter, Bundesgeschäftsführer, später Staatssekretär.

Mit Münteferings Rückkehr an die Parteispitze im Herbst 2008 übernahm Wasserhövel erneut die Wahlkampfleitung im Willy-Brandt-Haus. Und im Superwahljahr 2009 will der Bocholter den virtuellsten Wahlkampf der Parteigeschichte inszenieren. Die Schaltstelle ist die "Nordkurve”, wie die Wahlkampfzentrale im Nordflügel der Parteizentrale genannt wird. Die Analogie zur Nordtribüne im Fußballstadion, wo sich meist die besonders lauten und leidenschaftlichen Fans aufhalten, ist gewollt.

50 bis 60 "Kampagneros"

50 bis 60 "Kampagneros” werden in den heißen Wahlkampfphasen auf den zwei Etagen arbeiten, dazu gehören Abteilungsleiter, Agenturprofis und die engen Mitarbeiter des Kanzlerkandidaten Steinmeier. Eine externe Zentrale wie 1998 ("Kampa”) gibt es nicht mehr. Der Grund: Alle politischen Mitarbeiter des Willy-Brandt-Hauses sollen sich einbringen und haben Zugang zur Kommandozentrale. Außenstehende allerdings nicht. Nur zaghaft gewährt der SPD-Wahlkampfleiter unserer Redaktion Einblicke.

Als Chef der Truppe sitzt Wasserhövel am Kopfende des Großraumbüros, grauer Schreibtisch, Flachbildschirm. Unzählige Magazine, Notizen und Fotos liegen auf dem Schreibtisch. Davor steht ein roter Boxsack, der offenbar an den Kampfgeist der SPD appellieren soll, die in Umfragen seit Monaten bei mageren 22 bis 26 Prozent dümpelt. An den Wänden hängen Steinmeier-Fotos und erste "Scribbles”, Skizzen für Wahlplakate, dazu meterhohe Slogans in roter Farbe. "Lebendig. Einig. Mutig ist einer. Und das Wort: "Handwerk.”

Internetseite als erste Amtshandlung

Für Wasserhövel ist Wahlkampf Handwerk. Behutsam wie ein Schreiner poliert und schleift der Westfale die Marke SPD. Sein bevorzugtes Arbeitsgerät dabei ist das Internet. Als erste Amtshandlung baute er die Internetseite um. Sanfter, dezenter, dialogorientierter ist sie geworden. Und ertragsreicher. Per Mausklick können Unterstützer der Partei Geld spenden. Im März folgt eine eigene Kampagnen-Seite, auf der Live-Videos von Politiker-Auftritten, Fotostrecken und Diskussionsforen angeboten werden sollen. Später soll SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier auch direkt mit Internet-Nutzern reden.

"Wir sollten keine Form der Wahlkampfkommunikation ausschließen. Warum sollten sich Politiker nicht auch im Internet mit den Nutzern direkt auseinandersetzen?”, sagt Wasserhövel. Im SPD-eigenen Netzwerk "meineSPD.net” will die Partei besonders junge Leute binden. Ohne Tabus dürfen dort Genossen in Gruppen wie "Andrea. Gib nicht auf!” für die zurückgetretene hessische SPD-Chefin Ypsilanti werben oder für mehr Nationalstolz ("Deutsche Patrioten in der SPD”) eintreten.

"Das Internet ist eine Chance"

"Das Internet ist eine Chance für alle Parteien, sich zu öffnen”, sagt Wasserhövel und nennt als Vorbild die Internet-Kampagne des US-Präsidenten Obama. Der hatte in Internet-Plattformen, mit Video-Kampagnen und E-Mail. Millionen Unterstützer gesammelt und beschäftigt seither die Wahlstrategen der ganzen Welt. "Das war eine echte Graswurzel-Kampagne”, zeigt sich Wasserhövel fasziniert. "Es geht darum, die Menschen zum Mitmachen, zum Diskutieren, zur Beteiligung anzuregen”. Diese Unterstützung könne aber nur "von unten” kommen.

Internet-Experten sehen das ähnlich. "In der Generation der Unter-25-Jährigen ist eine Partei nicht existent, wenn sie nicht in sozialen Internet-Netzwerken präsent ist”, sagt Klemens Skibicki, Marketing-Professor an der Cologne Business School und Autor mehrere Bücher über das Web 2.0 ("Verbrauchermacht im Internet). Das Image einer Partei im Netz könne nur durch Kreativität und Ideen der Nutzer entstehen, Skibicki. "Nicht durch Parteibeschlüsse.” Ob der Internet-Hype der SPD am Ende auch mehr Stimmen bringt, weiß Wasserhövel indes nicht. "Das Überzeugendste im Wahlkampf ist immer das Gespräch von überzeugten Menschen”, sagt er. Aber das finde eben auch im Internet statt.

(RP)
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