Minister Niebel in der Kritik Der neue Buhmann der FDP

Berlin · Dirk Niebel hat mit seiner offenen Attacke gegen FDP-Chef Philipp Rösler die Partei gegen sich aufgebracht. Selbst der enge Vertraute Guido Westerwelle rückt von ihm ab. Was bezweckt der Entwicklungshilfeminister? In welchem Auftrag handelt er?

Dirk Niebel - ein Fallschirmjäger als Entwicklungshelfer
13 Bilder

Dirk Niebel - ein Fallschirmjäger als Entwicklungshelfer

13 Bilder

Ein führender FDP-Bundestagsabgeordneter hatte am Sonntag abseits des Dreikönigstreffens seine ganz eigene Erklärung für die Kampfansage von FDP-Minister Dirk Niebel gegen Parteichef Rösler. Der Entwicklungsminister entwickele eben gerade seine eigene Karriere. Im Herbst dürften sich bei einer Wahlniederlage schließlich jede Menge FDP-Spitzenpolitiker um nur wenige Posten rangeln.

Niebels öffentlicher Aufruf für eine neue "Mannschaftsaufstellung", sein nahezu psychologisch angehauchter Leidensvortrag ("Mich zerreißt es innerlich, wenn ich den Zustand der Partei sehe"), hatte die Partei am Sonntag beim Dreikönigstreffen kräftig irritiert. Dass ein Bundesminister den anwesenden Parteichef zwei Wochen vor einer Landtagswahl öffentlich angeht, hatte es selbst bei den Intrigen- und Putscherprobten Liberalen noch nie gegeben. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle nannte den Angriff intern "völlig unnötig". Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger reagierte verschnupft. Es zähle in der Politik, was am besten für die Bürger sei, "und nicht, dass man seine Selbstbefindlichkeit darlegt", sagte die FDP-Vizechefin. Der Chef der Jungen Liberalen, Lasse Becker, hielt Niebel gar einen "Ego-Trip" vor und sprach von "medialer Selbstbefriedigung". Der FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann warf dem Minister vor, für einen "Substanzschaden" der FDP mitverantwortlich zu sein.

Westerwelle ruft zur Geschlossenheit auf

Die Personaldebatte um den seit Monaten in der Kritik stehenden Parteichef Philipp Rösler sollte am Wochenende mit dem traditionellen Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart eigentlich ein vorzeitiges Ende finden. Spitzenliberale wie Generalsekretär Patrick Döring, aber auch der Niebel freundschaftlich verbundene Außenminister Guido Westerwelle, hatten in der Präsidiumssitzung die Partei eindringlich zu Geschlossenheit aufgerufen, um die niedersächsische FDP im Wahlkampf nicht zu belasten. Dirk Niebel hielt sich nicht daran, sprach später von der "Gesamtlage der Partei", um die es ihm gehe und forderte, den für Mai geplanten Parteitag vorzuziehen, um Entscheidungen in der Personalfrage zu klären.

Nun fragen sich die Liberalen, was Niebel zu der Attacke angetrieben hat. Der 51-jährige Ex-Fallschirmjäger, der für seine rauflustige Rhetorik und sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein bekannt ist, hatte sich in den vergangen Monaten mehrfach kritisch zu Rösler geäußert. Er war es, der mit den Überlegungen zur Trennung von Parteiamt und Spitzenkandidatur die Debatte erst ins Rollen brachte. Niebel sieht sich persönlich im Aufwind, seitdem er als Minister die Zusammenlegung der Entwicklungsgesellschaften und damit eine der größten Reformen in dem Bereich seit Jahrzehnten durchgesetzt hat. In Fachkreisen wird der Wahl-Badener für das Aufbrechen von Doppelstrukturen in der Entwicklungshilfe und die enge Abstimmung mit dem Außenministerium durchaus gelobt.

Mit Rösler kann er dagegen nicht viel anfangen. Niebel hält ihn für ein Weichling, der zu brav für die Politik sei. Mit dem jungen Parteichef hat er, im Übrigen genauso wie mit dem NRW-FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, noch eine Rechnung offen. Es waren Lindner und Rösler, die 2007 ein neues Grundsatzprogramm für die FDP forderten und damit indirekt den federführenden damaligen Generalsekretär Dirk Niebel kritisierten. Von einer "argumentativen Materialmüdigkeit" sprach Lindner damals. Rösler unterstützte aus Niedersachsen seinen Altersgenossen aus NRW. Niebel war verärgert.

Die späte Rache an Rösler

Fünf Jahre später hat Niebel die Gelegenheit sich zu rächen. Doch auch andere Motive werden dem Minister unterstellt. Niebel rechne sich Chancen auf den Parteivorsitz auf, sollte Rösler nach der Niedersachsen-Wahl gehen müssen, sagen einige. Einige mutmaßne, Niebel handele im Auftrag von Westerwelle, der sich öffentlich zurückhalten will. Dass nun aber ausgerechnet der frühere Generalsekretär von Guido Westerwelle, der stets für Steuersenkungen stritt und die inzwischen verpönte "Mehr Netto vom Brutto"-Kampagne erfand, die Partei wieder aus dem Tal führen kann, glaubt in der FDP allerdings kaum einer. Niebel, der kürzlich zum Spitzenkandidaten des baden-württembergischen Landesverbands für die Bundestagswahl gewählt wurde, könnte auch ein Interesse an dem Vorsitz der Bundestagsfraktion haben, sollte Rainer Brüderle Parteichef werden, spekulieren andere. Niebel selbst beteuert, dass er die Aussagen lediglich getätigt habe, weil ihn die Lage der gesamten Partei umtreibe. Die "Süddeutsche Zeitung" kommentierte den Vorgang ratlos. "Niemand versteht, was Niebel will."

Doch mögliche Karrierepläne dürften vorerst gescheitert sein. "Der hat sich doch jetzt erst recht ins Abseits geschossen", sagte ein Präsidiumsmitglied am späten Sonntagabend. Der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete es an diesem Montag als bemerkenswert, dass ausgerechnet der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer die FDP zur Geschlossenheit aufrufe. Er hoffe, dass auch Niebel Seehofers Hinweis einzuordnen verstehe, sagte Lindner in Düsseldorf. Die FDP müsse wieder "seriöse, ernsthafte Vorschläge zu konkreten Problemen" vorlegen.

Rösler profitiert von der Attacke

Ausgerechnet der angeschlagene FDP-Chef Philipp Rösler profitiert nun von Niebels Attacke. Die Solidarisierung mit dem Parteichef, der in seiner Rede nicht direkt auf den Kontrahenten einging, wächst. Fraktionschef Rainer Brüderle lobte in einem aktuellen Interview ausdrücklich Röslers Rede, in der er sich grundsätzlich mit Fragen der Freiheit auseinandergesetzt hatte. Dreikönig habe ein Aufbruchsignal gebracht. Zugleich betonte Brüderle: "Wir führen jetzt keine Personaldebatten mehr."

Zumindest bis zum 20. Januar dürfte die FDP und damit Philipp Rösler Ruhe haben. Und Dirk Niebel ist ohnehin erst einmal ein paar Tage auf Dienstreise. In Indonesien. Sieben Stunden Zeitunterscheid. Das verschafft der Partei eine Atempause.

(brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort