Operationen verschoben 23 Unikliniken von Ärztestreik betroffen

Im Tarifstreit erhöht der Marburger Bund den Druck auf die Länder. Das bekommen auch die Patienten in NRW zu spüren. Weitere Streiks könnten folgen.

 Klinikärzte aus ganz Deutschland demonstrierten am Dienstag vor dem Hauptbahnhof Hannover, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Klinikärzte aus ganz Deutschland demonstrierten am Dienstag vor dem Hauptbahnhof Hannover, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Zweimal bereits sind sie enttäuscht worden, jetzt haben sie ihren Forderungen lautstark Nachdruck verliehen: 3500 Ärzte von 23 landeseigenen Unikliniken demonstrierten am Dienstag in weißen Kitteln und mit Transparenten in Hannover – der Stadt, in der seit Dienstag die Verhandlungen um ihre Arbeitsbedingungen weitergeführt werden. Am Nachmittag startete im Tarifstreit zwischen der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) die dritte Verhandlungsrunde.

Die Forderungen der Ärztevertreter sind eindeutig: Sie wollen für 20.000 Uniklinik-Mediziner eine manipulationssichere Erfassung der Arbeitszeit, verlässliche Dienstpläne, eine Beschränkung von Wochenenddiensten – und sechs Prozent mehr Gehalt. Die Verhandlungen waren im November gestartet und bisher ergebnislos verlaufen.

In NRW waren 6000 Ärzte der Unikliniken in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster aufgerufen, ihre Arbeit für einen Tag niederzulegen. Mehr als 1000 sind der Aufforderung laut Marburger Bund gefolgt und zu der zentralen Kundgebung nach Hannover gekommen.

Der Betrieb in vielen Kliniken lief derweil auf Sparflamme. Besonders hart traf es das Uniklinikum Köln: Dort wurden nach Auskunft eines Sprechers zwei Drittel der geplanten Operationen vertagt, sofern dies medizinisch vertretbar war. In Essen wurden 30 Operationen verschoben; und auch in Bonn wurden Eingriffe abgesagt. An den Unikliniken in Aachen, Düsseldorf und Münster hingegen sollen kaum Auswirkungen des Streiks spürbar gewesen sein – zumindest nach offiziellen Angaben. „Wir mussten keine Operationen verschieben, es gab auch keine längeren Wartezeiten für Patienten“, sagte ein Sprecher der Uniklinik Düsseldorf. Vereinzelt hätten an einigen Kliniken zwar Mediziner die Arbeit niedergelegt. Sie hätten sich jedoch so abgesprochen, dass die Patientenversorgung nicht spürbar betroffen gewesen sei. Gewerkschaftssprecher Michael Helmkamp sagte: „Die Kliniken geben im Streikfall meist nicht zu, dass der Betrieb bei ihnen nur eingeschränkt läuft.“ Er erklärte, dass allein in Aachen am Dienstag drei Reisebusse mit streikwilligen Ärzten in Richtung Hannover gestartet seien.

Mit Ergebnissen aus der dritten Verhandlungsrunde rechnet der Marburger Bund frühestens am Mittwoch. Ob es weitere Streiks geben wird, ist unklar. „Wir werden uns beraten“, sagte Gewerkschaftssprecher Hans-Jörg Freese. Er sieht die TdL in der Pflicht, auf die Forderungen einzugehen. Tue sie dies nicht, bedeute das eine neue Eskalation. „Ich denke, dass die 3500 Ärzte im Streik ein deutliches Signal gesendet haben.“ Für den Marburger Bund führt dessen Vize-Hauptgeschäftsführer Christian Twardy die Verhandlungen. Die Positionen der TdL vertritt der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Aus seinem Ministerium hieß es: „Insbesondere aufgrund der Komplexität und der Vielzahl der Forderungen seitens des Marburger Bundes war eine Einigung Ende 2019 nicht möglich. Dabei geht es nicht nur um die Frage einer linearen Gehaltserhöhung, sondern auch um strukturelle Fragestellungen, wie etwa Arbeitszeiten und Wochenendarbeit.“

Unterstützung erhalten die Ärzte im Tarifstreit unter anderem von der Ärztekammer Nordrhein. Dessen Präsident Rudolf Henke fand klare Worte: „Es muss Schluss sein mit überlangen Arbeitszeiten.“ Insbesondere zahlreiche Nacht- und Wochenenddienste gingen an die Substanz der Ärzte und beeinträchtigten damit auch die Qualität der Patientenversorgung.

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