Volksrepublik China Xi und seine Ja-Sager

Peking · Die neue Führungsmannschaft der Volksrepublik ist eine beispiellose Machtdemonstration des alten und neuen Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Chinas. Er selbst steigt durch seine Wiederwahl endgültig zum Alleinherrscher des Landes auf.

Die Delegierten spenden beim Parteikongress in Peking dem alten und neuen Staats- und Parteichef Xi Jinping reichlich Applaus.

Die Delegierten spenden beim Parteikongress in Peking dem alten und neuen Staats- und Parteichef Xi Jinping reichlich Applaus.

Foto: AP/Mark Schiefelbein

Als sich Sonntagmittag nach dem Parteikongress in der Großen Halle des Volkes die goldene Tür öffnete, schritten die sieben mächtigsten Männer des Landes vor das Blitzlichtgewitter der Presse. Und was für eine Machtdemonstration Xi Jinping in diesem Moment aufs Parkett legte. Sämtliche Kader des Ständigen Ausschusses, welche künftig den Kurs des Landes bestimmen werden, sind entweder ideologische Loyalisten oder langjährige Vertraute des 69-Jährigen. Auf seiner ersten Plenarsitzung bestätigte das neue Zentralkomitee der Kommunistischen Partei ihn für eine dritte fünfjährige Amtszeit als Generalsekretär und Chef der Militärkommission.

Der vielleicht größte Paukenschlag: Direkt hinter Xi folgte der Technokrat Li Qiang, der damit als gesicherter Premierminister gilt. Für viele Unternehmensvorstände dürfte dies ein Schreckensszenario sein. Denn Li implementierte als Bürgermeister von Shanghai im Frühjahr den wohl weltweit größten Covid-Lockdown, bei dem die meisten der mehr als 25 Millionen Einwohner zwei Monate in ihren Wohnungen eingesperrt und zu Hunderttausenden in unwürdige Quarantänelager eingepfercht wurden.

Das hat nicht nur für großes Leid gesorgt, vor allem weil zwischenzeitlich sogar die Nahrungsmittelversorgung in der wohlhabendsten Stadt des Landes zusammengebrochen ist. Vor allem jedoch war der Lockdown ein riesiger ökonomischer Schlag für die Finanzmetropole, von dem sie sich möglicherweise nie mehr ganz erholen wird. Zu schwer wiegt der traumatische Image-Schaden der vollständigen Abriegelung Shanghais. 

Damals hätte jeder Experte vermutet, dass Li Qiangs vielversprechende Karriere nun vorüber sein würde. Doch im System Xi wird er ganz im Gegenteil für seine dogmatische Art sogar noch zum zweitmächtigsten Mann des Landes befördert. Seine Leistung war schlicht, dass er absolut loyal die Befehle aus Peking ausgeführt hat. Und auf jene Tugend kommt es im System Xi an. Lis Bestellung zum Premier ist ein harter Schlag ins Gesicht für die Shanghaier, die unter dem ewigen Lockdown gelitten haben. Doch auf ihre Meinung kommt es im autoritären China längst nicht mehr an.

Doch auch europäische Firmenvertreter in China dürften stark verunsichert sein: Ihnen ist spätestens heute klar geworden, dass sich die ökonomischen Interessen des Landes auch in den nächsten Jahren ganz offensichtlich verstärkt ideologischen Prinzipien und politischer Kontrolle unterordnen müssen.

Den Apparatschiks mangelt es dabei mittlerweile vollständig an einem ausgleichendem Element innerhalb des Ständigen Ausschusses. Sämtliche Wirtschaftsreformer und Pragmatiker, allen voran der scheidende Premier Li Keqiang und sein enger Vertrauter Wang Yang, gehen nun in Rente oder wurden möglicherweise gar unter Zwang ins politische Aus gedrängt.

Gleichzeitig hat Xi am Sonntag mit mehreren, jahrzehntealten Konventionen der Partei gebrochen: Derzeit hat kein Mitglied des Ständigen Ausschusses Erfahrungen im Staatsrat vorweisen können, was das letzte Mal Anfang der 1980er-Jahre der Fall war. Und ebenfalls widersetzte sich Chinas Alleinherrscher gegen die goldene Regel, dass die erste Reihe an Parteikadern spätestens mit 69 Jahren abdanken muss. Xi fühlt sich derart sicher im Amt, dass er sich um solche Normen nicht mehr zu scheren braucht.

Erstmals seit den späten 1990er-Jahren gibt es außerdem keine einzige Frau mehr in dem 25-köpfigen Politbüro. Auch das ist ein trauriger Rückschritt, der wohl langfristige Auswirkungen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Volksrepublik haben wird: Auf Jahre hinaus wird jungen Chinesinnen ein politisches Vorbild fehlen, zu dem sie aufblicken können.

Was am Sonntag merklich auffiel, ist die extreme Stille im chinesischen Internet. Als einige wenige Staatsjournalisten auf der Online-Plattform Weibo ihre Glückwünsche in patriotischen Postings formulierten, blockierten die Zensoren bereits zu diesem Zeitpunkt die Kommentarfunktion, um jede Kritik bereits im Keim zu ersticken. Und auf der App Wechat, auf der viele patriotische Chinesen sonst en masse die Parteipropaganda teilen, blieb es ruhig. Es schien, als ob die politischen Ereignisse von der alltäglichen Realität der Leute entkoppelt waren: Was im Pekinger Machtzentrum passiert, geht die meisten der 1,4 Milliarden Chinesen offenbar wenig an. Ändern können sie an den politischen Verhältnissen ohnehin nichts. 

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