Britischer Premier unter Druck Polizei ermittelt wegen Lockdown-Partys in der Downing Street

London · „Partygate“ wird immer peinlicher für Boris Johnson. Der britische Premierminister hatte bisher stets bestritten, dass es zu illegalen Lockdown-Partys in seinem Amtssitz gekommen ist. Doch das ist so offenbar nicht ganz richtig, wie nun bekannt wurde.

 Boris Johnson.

Boris Johnson.

Foto: AFP/STEVE PARSONS

Am 19. Juni 2020, als der Premierminister 56 Jahre alt wurde, herrschten in Großbritannien strenge Corona-Lockdownregeln. Soziale Zusammenkünfte in Innenräumen waren verboten. An der frischen Luft durften sich höchstens sechs Personen räumlich distanziert treffen. Doch Johnsons Mitarbeiter in der Downing Street hielten es für eine gute Idee, eine Geburtstagsparty für ihn zu organisieren. Das ergaben Recherchen des Fernsehsenders ITV. Rund 30 Leute versammelten sich demnach im Kabinettsraum. Seine damalige Verlobte Carrie Johnson präsentierte eine Geburtstagstorte in den Farben der Nationalflagge. Kanapees wurden gereicht und ein Geburtstagsständchen gesungen.

 Johnsons Büro bestritt nicht, dass das Ereignis stattgefunden habe. „Eine Gruppe von Beamten, die in Nummer 10 Downing arbeiten, hat sich kurz im Kabinettsraum getroffen, um dem Premierminister zum Geburtstag zu gratulieren“, sagte ein Sprecher des Premiers. „Er war dort weniger als zehn Minuten.“ Was allerdings energisch bestritten wurde, war eine weitere Enthüllung von ITV News. Der Sender behauptete, dass es am gleichen Abend in der Dienstwohnung von Johnson im Obergeschoss der Downing Street eine zweite Party gegeben habe. „Das ist total unwahr“, sagte der Sprecher und wollte nur ein Treffen im Freien einräumen: „Gemäß den Covid-Regeln zu dieser Zeit hatte der Premierminister eine kleine Zahl von Familienmitgliedern außerhalb zu Gast.“

 Die Verteidigung des Premiers läuft darauf hinaus, dass sich Beamte, die sowieso den ganzen Tag in einem Gebäude zusammen arbeiten, lediglich kurz getroffen hätten. So etwas, protestierte die Kulturminsterin Nadine Dorries, sei doch keine Party. Durchaus doch, meinte der Rechtsanwalt Adam Wagner, Experte für Covid-Regularien, der Johnson für strafrechtlich exponiert hält: „Dies ist das erste Mal, dass Nummer 10 Downing Street zugibt, dass der Premierminister an einer in meinen Augen illegalen Zusammenkunft teilgenommen hat ohne eine vernünftige Entschuldigung.“ Der Labour-Chef Keir Starmer verlangte Johnsons Rücktritt. „Dies beweist einmal mehr, dass wir einen Premierminister haben, der glaubt, dass die Regeln, die er erlässt, für ihn selber nicht gelten. Er muss abtreten.“

 Die Geburtstagsparty – oder das Arbeitstreffen vom 19. Juni 2020, wie es Johnsons Team darstellt – ist wie viele andere einschlägige Zusammenkünfte Gegenstand einer internen Untersuchung durch die hochrangige Beamtin Sue Gray. Ihr Untersuchungsbericht wird noch in dieser Woche erwartet. Viele Fraktionskollegen von Boris Johnson wollen ihren Report abwarten, bevor sie entscheiden, ob sie den Premier weiterhin unterstützen können. Sollten sich 54 Abgeordnete der Konservativen Partei finden, die ihm brieflich das Vertrauen entziehen, muss ein fraktionsinternes Misstrauensvotum stattfinden. Sollte es soweit kommen, halten es manche Beobachter für unwahrscheinlich, dass Johnson mehr als die Hälfte seiner Kollegen hinter sich versammeln kann, und er müsste zurücktreten. Verschärft wurde die Führungskrise durch eine Ankündigung von Scotland Yard. Die Londoner Polizeibehörde, so gab ihre Chefin Cressida Dick am Dienstag bekannt, werde eine offizielle Untersuchung in die Vorgänge innerhalb der Downing Street beginnen.

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