ESA-Sonde schwenkt in Umlaufbahn ein "Europa hat den Mond erreicht"

Darmstadt (rpo). Der wissenschaftliche Direktor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt ist stolz: "Europa hat den Mond erreicht", verkündete David Southwood am Dienstag. Knapp 14 Monate nach ihrem Start ist die ESA-Raumsonde SMART-1 am Ziel.

Weiter sagte Southwood: "Wir sind in einer lunaren Umlaufbahn." Mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Apollo-Programms der USA erscheinen Mondmissionen nicht sonderlich spektakulär. Schon 1959 war es der Sowjetunion gelungen, mit einer Sonde auf dem Mond zu landen. Zehn Jahre später entschieden die USA den berühmten "Wettlauf zum Mond" durch die Landung von Astronauten für sich.

Dennoch wäre es verfehlt, die SMART-1-Mission als verspätetes Bemühen abzutun. Denn der europäische Flug zum Mond unterscheidet sich fundamental von allen vorherigen Missionen zum nächsten Nachbarn der Erde. Dies beginnt bereits bei der Flugdauer. Alle früheren Missionen legten die je nach Planetenposition 350.000 bis 400.000 Kilometer zwischen Erde und Mond in etwa zwei Tagen zurück. SMART-1 dagegen brauchte über ein Jahr.

Die Erklärung für die Bummelei liegt im Hauptziel der Mission. Mit Hilfe von SMART-1 will die ESA Technologien erproben, die noch in den Kinderschuhen stecken, zugleich aber wahrscheinlich den Schlüssel bieten, um in den nächsten Jahrzehnten in die Tiefen des Weltraums aufzubrechen.

Raketenmotor nutzt das Edelgas Xenon

So ist SMART-1 das erste europäische Raumfahrzeug, das von einem Ionentriebwerk beschleunigt wird. Der Raketenmotor nutzt das Edelgas Xenon, dessen Atome elektrisch geladen und auf etwa 16.000 Stundenkilometer beschleunigt werden. Zur Ionisierung der Atome nutzt das Triebwerk den Strom aus den Sonnenpaddeln, die der Sonde eine Spannweite von 14 Metern geben.

"Europa hat beweisen, dass es in der Lage ist, ein Raumschiff allein mit Ionenantrieb zu fliegen", erklärt Giorgio Saccoccia, Fachmann für Raketenantriebe bei der ESA. Als SMART-1 am 27. September 2003 in eine Erdumlaufbahn geschossen wurde, verfügte die Sonde über 82 Kilogramm Xenon. Auf einer weiten, spiralförmigen Flugbahn zum Mond legte das Raumfahrzeug nach Saccoccias Worten 84 Millionen Kilometer zurück, verbrauchte aber nur 57 Kilogramm Treibstoff. Der Ionenantrieb erwies sich zudem als so effizient, dass die Reisezeit auch noch von geplanten 18 auf 14 Monate verkürzt werden konnte.

Ionenantriebe, erklärt der ESA-Experte, würden künftig längere Raumflüge in kürzerer Zeit ermöglichen. Nun könne man mit Hilfe der neuen Technik Flüge zur Sonne oder zum Merkur ins Auge fassen. Doch die nur 367 Kilogramm schwere Sonde hat noch mehr faszinierende Technik an Bord. Dazu zählen das neue Navigationsinstrument OBAN, das es SMART-1 erlaubt, sich weitgehend selbst zu steuern, oder die digitale Miniaturkamera AMIE, mit der der Mond komplett neu kartographiert werden soll.

"Nächste Phase der Monderforschung beginnt"

Mit den wissenschaftlichen Experimenten an Bord von SMART-1 will die ESA erst Mitte Januar 2005 beginnen. So lange dauert es, um die kleine Raumsonde in eine stabile Umlaufbahn um den Mond zu bringen. In einer Höhe zwischen 300 und 3.000 Kilometern soll SMART-1 dann den Erdtrabanten sechs Monate lang untersuchen und unter anderem die mineralische und chemische Zusammensetzung der Mondoberfläche klären sowie nach Wasser suchen.

Die Europäer sind nicht die einzigen, bei denen das Interesse am Mond neu erwacht ist. "Die nächste Phase der Monderforschung beginnt", erklärt Bernard Foing, ESA-Projektwissenschaftler für SMART-1. Bereits für 2006 plant nach seinen Worten Japan eine Mondmission, 2007 wollten sich Indien und China sowie 2008 und 2009 die USA anschließen. In naher Zukunft seien auch wieder bemannte Raumflüge zum nächsten Nachbarn der Erde denkbar, bis hin zum Aufbau einer bemannten Mondstation, betont Foing.

Bis dahin ist für die Europäische Raumfahrtagentur zweifellos noch ein weiter Weg. Ob Europa Astronauten zum Mond schicken wolle, sei eine politische Entscheidung, sagt David Southwood: "Wenn die Menschen in Europa das wollen, wird die ESA sehr froh sein, sie dorthin zu bringen."

(ap)
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