Johannes Uerscheln Nies-Attacken nach dem alten Rotwein

Die Histamin-Intoleranz ähnelt einer Allergie. Die Reaktionen werden oft von Nahrung ausgelöst.

Unsere Leserin Anne K. (45) aus Ratingen fragt: "Seit einem Jahr habe ich nach dem Essen öfter eine verstopfte Nase sowie ein allgemeines Unwohlsein mit Kopfschmerz, Schwindel, manchmal Juckreiz. Mir fiel auf, dass diese Beschwerden besonders dann auftreten, wenn ich Rotwein getrunken habe. Kann ich den Alkohol nicht mehr vertragen?"

johannes Uerscheln Das Auftreten dieser Symptome deutet weniger auf eine nachlassende Verträglichkeit des Alkoholes hin, sondern eher darauf, dass Ihr Körper Stoffe, die sich außerdem noch im Rotwein befinden, nicht mehr gut toleriert. Neben Allergiestoffen können Nahrungsmittel (auch abhängig von ihrer Herstellung) Substanzen beinhalten, die eine Reaktion im Körper hervorrufen, die einer allergischen Reaktion ähnlich ist. Ein häufiger vorkommendes Beispiel für eine solche Intoleranz-Reaktion, welche von den "echten" Allergiereaktionen unterschieden werden muss, ist die Entwicklung von Beschwerden nach Genuss von Nahrungsmitteln, die viel Histamin enthalten. Histamin ist ein Stoff, der in tierischen und pflanzlichen Organismen weit verbreitet ist. Er hat auch im menschlichen Körper vielfältige Funktionen. So bewirkt er beispielsweise eine Anschwellung des Gewebes im Rahmen von Entzündungen, und er hilft, die Magensäureproduktion zu regulieren. Hierbei wird er durch abbauende Substanzen, sogenannte Enzyme, in Schach gehalten, damit es zu keinen überschießenden Auswirkungen des Histamins kommen kann. Es gibt allerdings Menschen, bei denen sich im Laufe des Lebens eine Abbaustörung des Histamins entwickelt, da die hierzu notwendigen Enzyme nicht mehr in ausreichender Menge vorhanden sind. So kommt es, besonders nach Aufnahme von Nahrungsmitteln, die reich an Histamin sind, zu einem Überschuss dieses Stoffes im Körper, was dann zu vielfältigen Symptomen wie Anschwellen der Nasenschleimhaut oder auch Schnupfen, Rötung der Haut, Kopfschmerz, Schwindel, Luftnot, Juckreiz, Kreislaufbeschwerden oder Wassereinlagerung im Gewebe führen kann. Oft treten auch Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit oder auch Bauchschmerzen auf. Viel Histamin und verwandte Substanzen sind besonders in Lebensmitteln, die eine Gärung, Reifung oder eine längere Lagerung durchlaufen haben: lang gereifte Käsesorten, Wein, Sekt, Bier, zu lang gelagerter Fisch und Fischkonserven, verschiedene Wurstwaren und Trockenfleisch sowie andere Gärungsprodukte und auch bestimmte Obst- und Gemüsesorten. Die Diagnose einer Unverträglichkeit von Histamin kann vermutet werden, wenn es nach dem Genuss solcher Nahrungsmittel regelmäßig zu jenen Symptomen kommt. Weitere Untersuchungen müssen sich dann anschließen. So wird versucht, den Mangel von Histamin-abbauendem Enzym im Blut nachzuweisen. Zudem sollte durch gezieltes Auslassen Histamin-reicher Nahrungsmittel beobachtet werden können, dass die Beschwerden besser werden oder nicht mehr auftreten. Ist die Diagnose gesichert, dann sollten Betroffene als grundlegende Behandlungsmaßnahme Nahrungsmittel, die viel Histamin enthalten, langfristig meiden. In manchen Fällen kann diese Maßnahme zudem noch durch Medikamente unterstützt werden.

Johannes Uerscheln ist Allergologe und Lungenarzt in Neuss und Düsseldorf.

(RP)
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