Düsseldorf Jüdisches Leben - von Avot bis Tefillin

Düsseldorf · Die wichtigsten zehn Begriffe einer alten Religion, die auch bei den Jüdischen Kulturtagen erfahrbar werden soll.

Ein in den USA erschienenes Buch über Grundbegriffe des Judentums führt annähernd 150 Begriffe auf, die für das religiöse Leben von Bedeutung sind. Vor den jüdischen Kulturtagen im Rheinland mit 360 Veranstaltungen wollen wir an dieser Stelle zehn zentrale Begriffe erläutern, um jüdische Religion und jüdisches Leben anschaulich zu machen.

Neschama Neschama heißt auf Deutsch "Seele". Sie ist das erste Geschenk Gottes an den Menschen, das ihn über seine körperliche Existenz hinaushebt. Jeder Mensch stellt sich die Frage, woher seine Seele kommt. Nach der Bibel hat Gott sie dem Menschen in der Schöpfung eingehaucht. Er hat von da an die Aufgabe, sich dieses Geschenkes würdig zu erweisen, indem er sich müht, das Gute zu tun. Gott hilft ihm dabei durch ein weiteres Geschenk, durch den Schabbat.

Schabbat Am Schabbat, dem Ruhetag der Schöpfung, erhält der Mensch eine zusätzliche Seele, die ihn die Notwendigkeit, seinem Leben einen spirituellen Sinn zu geben, noch deutlicher erkennen lässt. Heinrich Heine hat sie in dem Gedicht "Prinzessin Sabbat" beschrieben. Am Schabbat lässt der Mensch die Qualen der Arbeitswoche hinter sich und tritt in Gottes Heiligtum ein.

Mesusa An der Schwelle zu diesem Heiligtum befindet sich die Mesusa, ein Türpfostensymbol, das in einer kunstvoll verfertigten Kapsel zwei Textstellen aus der Bibel enthält. "Eure heil'gen Eingangspfosten küßt mein Mund!" dichtet Heine. Die Mesusa bewacht jedoch auch das jüdische Haus.

Schema Israel Die Verpflichtung, die Mesusa anzubringen, steht im 5. Buch der Bibel, das zugleich ein Teil des Schema Israel ist, des Kerngebetes des jüdischen Gottesdienstes. Der Mensch soll Gott mit seiner ganzen Kraft lieben, heißt es in ihm. Um sich nicht von nichtigen Dingen ablenken zu lassen, soll er als Zeichen der Erinnerung an seine göttliche Aufgabe neben der Mesusa die Gebetsriemen anlegen.

Tefillin Die Tefillin sind Lederkapseln, die jeden Morgen an den linken Arm und auf die Stirn gebunden werden. In den Kapseln sind auf Pergament die entsprechenden Gebote, Tefillin zu tragen, geschrieben. Indem der jüdische Mann mit ihnen den Tag beginnt, gibt er diesem seine spirituelle Ausrichtung.

Derech erez Gewohnheitsmäßig geht jeder Mensch am Morgen zu seiner Arbeit. Das Morgengebet bereitet den Juden auf diese Pflicht vor, dass er sie mit den besten Absichten bewältigen soll. Dieses Verhalten beschreibt das Judentum mit dem Begriff Derech erez. Im 19. Jahrhundert hat er eine zusätzliche Bedeutung erhalten, dass der Jude seinen Verpflichtungen gegenüber dem bürgerlichen Leben nachkommen und sie mit dem Geist der Thora verbinden soll, so dass Religion und säkulare Alltagswelt eine Einheit bilden.

Avot Der jüdische Mensch orientiert sich in seinem religiös-ethischen Leben an den Vorvätern, den Avot. Das sind die drei Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob. Sie stehen für verschiedene Tugenden des religiösen Lebens, vor allem für die Treue zu Gott. Ein frommer Jude lehnt sich stets an die Tradition an, da er weiß, dass seine Väter und Vorväter frommer und gerechter gewesen sind.

Teschuwa Die Väter haben der Versuchung widerstanden, vom Glauben abzufallen. Heute ist sie wieder groß, denn die schöne, bunte Welt bietet zu viele Ablenkungen, Zerstreuungen und falsche Ideale. Ein Jude hat jedoch die Möglichkeit der Teschuwa, der Rückkehr zu seinem Glauben. Sobald er erkennt, dass die Thora, die fünf Bücher Mose, die wahre Weisung für sein jüdisches Leben enthält, findet er zur Versöhnung mit Gott.

Jom Kippur Das Judentum hat dieser Rückkehr zu Gott, die täglich stattfinden kann, noch einen besonderen Feiertag gewidmet, Jom Kippur, das alljährlich die mit dem Neujahrsfest beginnende Zeit der zehn Bußtage abschließt. Sie zeigen, wie schwer diese Rückkehr zu Gott ist. Am Jom Kippur entscheidet sich, welches Schicksal den Menschen im neuen Jahr erwartet. Einen Tag lang fastet und betet er, um sein Schicksal zum Guten zu wenden. Die religiöse Kraft von Jom Kippur ist so gewaltig, dass sich auch nichtreligiöse Juden an diesem Tag in die Synagoge begeben.

Pessach Jom Kippur ist das eine Fest, an dem auch säkulare Juden heute noch unbedingt festhalten. Das andere ist Pessach. Am ersten Abend von Pessach wird der Seder gefeiert. Bei einer rituellen Mahlzeit erinnert sich das jüdische Volk an seine Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft. Jede jüdische Familie ist zur Feier des Seders verpflichtet. Und so führt er die Familie im Bewusstsein, dass die historische Errettung des jüdischen Volkes den Anfang seiner Geschichte bildet, zu einer großen Feier zusammen.

Unser Gastautor Professor Daniel Hoffmann, Germanist und Mitglied der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Er arbeitet zur Zeit an einem Buch über das deutsche Judentum.

(RP)
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