"Hochschulwatch" So nehmen Unternehmen an den Unis Einfluss

Berlin · Rund 1,3 Milliarden Euro fließen aus der Wirtschaft jedes Jahr an deutsche Hochschulen. Eine Auswertung von Transprancy International zeigt, an welchen Hochschulen Siemens, Daimler und die Deutsche Bank mitmischen.

 Hochschulexperte Keller: "Länder und Hochschulen müssen der Kommerzialisierung von Forschung und Lehre Grenzen setzen".

Hochschulexperte Keller: "Länder und Hochschulen müssen der Kommerzialisierung von Forschung und Lehre Grenzen setzen".

Foto: dpa, woi pzi vfd

Die Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland, Edda Müller, forderte eine Veröffentlichungspflicht aller Kooperationsverträge zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie regelmäßige Sponsoringberichte aller Hochschulen. "Unabhängigkeit und Transparenz der Finanzströme sind ein hohes Gut der Wissenschaft", betonte Müller. Es gebe eine zunehmende Verflechtung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Nach Angaben von Anna Lehmann, Bildungsredakteurin der taz, hat sich die Zahl der Stiftungsprofessuren in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. "Für Unternehmen sind sie ein beliebtes Mittel, um Einfluss zu nehmen, auf welchen Gebieten geforscht wird."

Hochschulwatch dokumentiert mehr als 10.000 Verbindungen zwischen der gewerblichen Wirtschaft und deutschen Hochschulen. Darunter sind Daten zu Unternehmen, die in Hochschulräten und damit in der Hochschulpolitik vertreten sind. Volkswagen-Vorstand Martin Winterkorn sitzt etwa im Hochschulrat der TU Braunschweig und der TU Dresden (ohne Klinikum), während Siemens-Chef Peter Löscher im Rat der TU München (ohne Klinikum) sitzt.

Darüber hinaus listet das Portal etwa 900 Stiftungsprofessuren, Geldleistungen für Kongresse oder Tagungen und Stipendien. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte unterdessen vor einem "Ausverkauf von Forschung und Lehre" an den Hochschulen.

"Immer mehr Stiftungslehrstühle, immer mehr Auftragsforschung - private Unternehmen versuchen, einen immer stärkeren Einfluss auf staatliche Universitäten und Fachhochschulen zu nehmen", sagte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller. "Länder und Hochschulen müssen der Kommerzialisierung von Forschung und Lehre Grenzen setzen."

Die GEW forderte, dass die Kooperationsverträge offen gelegt und in den Hochschulgremien diskutiert werden. Er bestätigte, dass der Druck auf Wissenschaftler, private Drittmittel einzuwerben, gestiegen sei. Davon hänge nicht selten die eigene Weiterbeschäftigung ab, das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit werde eingeschränkt.

(KNA)
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