Geheimnisvolle Orte (3) Der Düsseldorf-Roman über Thomas Mann

So kann man heutzutage ja eigentlich nicht mehr erzählen, denkt man nach den ersten Seiten. So unmodern. So ungebrochen. Und so konventionell. Aber schon nach ein paar weiteren Seiten erwischt man sich bei dem Gedanken: wie anschaulich. Hans Pleschinskis neuer Roman "Königsallee" ist die empfehlenswerte Entdeckung dieses Lesesommers, ein Buch, das mit dem Besuch von Thomas Mann in Düsseldorf im August 1954 nicht nur Historisches erzählt, sondern mit seinem eleganten, mitunter virtuosen Stil auch selbst historisch erscheint. Damit huldigt der Münchener Autor dem deutschen Literaturnobelpreisträger und zeichnet ein wundersames Bild dieser Nachkriegsjahre am Rhein. "Königsallee" ist eine Art Wolfgang Koeppen auf gehobener Unterhaltungsebene.

Erzählt wird quasi auf engstem Raum — aus dem Luxushotel Breidenbacher Hof, in dem nicht nur der alte und dem Tod schon bedenklich nahe Thomas Mann nebst Gattin Katia und Tochter Erika logieren wird, sondern zufällig auch Klaus Heuser, der einst vom Dichter angebetete Jüngling. Das ist mehr als bloß eine Anspielung auf "Lotte in Weimar"; das ist ein direkter Bezug zu jenem Roman, in dem Thomas Mann von der Wiederbegegnung zwischen Charlotte Kestner und dem alten Goethe heiter erzählt. Das Mann-Werk wird bei Pleschinski zur Folie seines Romans, Literatur verwandelt sich in Wirklichkeit.

Was auf den knapp 400 Seiten passiert, ist eine grandiose Komödie mit dem Breidenbacher Hof als eine fulminante Kulisse. Immer öffnen sich irgendwo irgendwelche Türen, die Menschen begegnen einander in unterschiedlichen Konstellationen. Ständig geschieht Unerwartetes. Das ist so leicht und so souverän erzählt, dass man das Buch ebenso gut im Fauteuil wie auf der Badematte am Nordseestrand genießen kann. Allein der Auftritt von Düsseldorfs Stadtoberen, die im Foyer den hohen Gast begrüßen, sowie die Rede des Kulturdezernenten, der vor allem von Ernst Jünger spricht, rechtfertigt die Lektüre. Und dass die für den Abend geplante Mann-Lesung gefährdet ist, weil sich der Dichter tags zuvor in Köln erkältete, weist Hans Pleschinski auch als einen Kenner lokaler Rivalitäten aus.

(RP)
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