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Düsseldorf Wenn das Kind ins Krankenhaus muss

Düsseldorf · Mit Ruhe, Offenheit, guten Büchern und Arzt-Spielen können Eltern ihren Kindern helfen, eine Operation und einen Krankenhausaufenthalt gut zu überstehen. Eine Kinderchirurgin und ein Pädagoge geben Tipps für die schwierige Zeit.

Blinddarm- oder Mandeloperation, Korrektur der Hüftstellung, Richten eines gebrochenen Beins — im Krankenhaus sind das Routine-Eingriffe. Doch wenn das eigene Kind operiert wird, rotieren Ängste und Sorgen im Kopf von Mutter und Vater. Aber Ignorieren und Verdrängen bis zum OP-Termin helfen nicht. Im Gegenteil: Eine gute Vorbereitung auf die Ausnahmesituation sorgt dafür, dass die kleinen Patienten schnell gesund und fröhlich werden und die Eltern gut durch diese harte Zeit kommen.

Wie erleben Kinder eine Operation? Es hilft kein Schönreden: Eine Operation mit Krankenhausaufenthalt ist eine Krisensituation. "Kinder erleben eine Operation als Aggression. Ihnen wird Gewalt angetan, ihr Körper wird — zu ihrem eigenen Besten — verletzt", sagt der Düsseldorfer Diplom-Pädagoge und Sonderschullehrer Alexander Wertgen. Hinzu kommt, dass die kleinen Patienten für eine begrenzte Zeit nichts essen, sich nicht bewegen und ihre Freunde nicht sehen dürfen.

"Wenn die Eltern das nicht erklären, ziehen Kinder leicht ihre eigenen Schlüsse, zum Beispiel ,Ich war böse, jetzt werde ich bestraft'", erklärt der Pädagoge, der sich mit dem Thema Kinder und Krankheit beschäftigt und ein Buch darüber geschrieben hat. Wie können sich Eltern und Kinder vorbereiten? Wissen hilft! Eltern sollten sich gut über das informieren, was auf das Kind zukommt. "Die Gespräche mit dem behandelnden Arzt im Vorfeld einer Operation sind wichtig.

Wir wollen den Eltern die Sorgen nehmen", sagt Mariana Santos, Leiterin der Kinderchirurgie der Uni-Klinik Düsseldorf. So sollten Mutter und Vater etwa wissen, wie lange die Operation dauert, was gemacht wird, ob sie das Kind bis vor den Operationssaal begleiten und nachher im Aufwachraum dabei sein dürfen. Anders als früher müssen Kinder heute nicht noch die Trennung von den Eltern verschmerzen: Fast alle Krankenhäuser nehmen ein Elternteil stationär mit auf; die meisten Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür bis zum Kindesalter von sieben Jahren.

Was sollen Eltern ihrem Kind über die anstehende Operation erzählen? Die Wahrheit — in Maßen. Die Eltern müssen dem Kind in einfachen, ehrlichen Worten erklären, was auf es zukommt und warum es gemacht wird. Also etwa: "Du wirst ein paar Stunden schlafen, und in der Zeit werden die Ärzte an deinem Bauch arbeiten. Wenn du wieder aufwachst, sitze ich an Deinem Bett. Das müssen wir machen, damit du an der Stelle nie mehr Bauchweh bekommst.

" Wie viel man genau erzählt, bleibt eine Gratwanderung. "Ich würde die wichtigsten Dinge vereinfacht erzählen und dann abwarten, ob das Kind mit Fragen kommt und dann darauf eingehen", meint Wertgen. Jugendlichen Patienten können die Eltern sagen: "Du kannst mich fragen, und ich sage dir alles." Egal, wie alt die Kinder sind: Die Frage nach Schmerzen sollten Eltern in jedem Fall aufrichtig beantworten.

"Absolut ehrlich sein", rät Kinderchirurgin Santos. "Auf keinen Fall sollten sie dem Kind versprechen: Das tut gar nicht weh. Die Eltern können zum Beispiel sagen, dass es etwas pieksen wird und dass die Ärzte gute Mittel haben, wenn es weh tut." Auch Wertgen rät zur Offenheit: "Sonst wird das Vertrauensverhältnis gestört. Das Kind fühlt sich belogen, oder es kommt zu der Folgerung ,Bei mir tut es doch weh, also stimmt mit mir etwas nicht'.

" Können Bücher vorher helfen? Kinderbücher wie etwa "Conni im Krankenhaus", "Ich mach dich gesund, sagte der Bär" von Janosch, "Gwendolin Giraffenkind" oder "Gabi muss ins Krankenhaus" sind gut geeignet, um Kinder auf die Situation einzustimmen. Was gehört ins Krankenhausgepäck? "Das Kind sollte etwas mitbringen, an dem es hängt: ein Kissen, ein Kuscheltier", sagt Chirurgin Santos.

Was sollten Eltern in der Zeit rund um die Operation vermeiden? Leichter gesagt als getan: Die Eltern sollten klar, ruhig und möglichst positiv zu der Entscheidung der Operation stehen. "Sie sollen dem Kind eine Stütze sein", sagt Santos. "Wenn die Eltern überzeugt sind, wird das Kind es ebenfalls gut auffassen." Und wenn die Eltern wissen, dass ihnen das schwer fällt, sollten sie sich selbst professionelle Unterstützung besorgen.

Was gar nicht geht: Tränen vor der Operation. "Dem Kind vermittelt das: Da passiert jetzt etwas ganz Schlimmes mit mir. Oder sogar: Ich muss Mama und Papa trösten", sagt die Ärztin. Wie kann man die Zeit nach dem Eingriff sinnvoll gestalten? Spielen geht immer. "Nach der Erfahrung der eigenen Ohnmacht sollten die Kinder nun aktiv sein: also Perlen auffädeln, malen, basteln, puzzeln", sagt Wertgen.

Auch Schulstoff ist gut. Kopfrechnen, Englisch-Vokabeln-Lernen, Aufsatz-Schreiben zeigen dem Kind, dass es auch krank etwas leisten kann. "Es geht darum, die eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren", sagt Wertgen. Beim Spielen mit anderen Kindern im Krankenhaus sehen die kleinen Patienten, dass sie "Leidensgenossen" haben. Wichtig ist auch, die Kontakte zum alltäglichen Freundeskreis im Kindergarten oder in der Schule durch Besuche, Telefonate, E-Mails, den Austausch von Bildern und Gebasteltem zu erhalten.

"Je weniger soziale Isolation entsteht, desto besser", sagt Wertgen. Warum ist Arzt-Spielen für Kinder so hilfreich? Oft spielen Kinder an ihren Teddys und Puppen die eigene Situation nach: Die Kuscheltiere bekommen Spritzen, werden geröntgt, operiert, eingegipst. "Das hilft, die eigenen Erfahrungen aufzuarbeiten. Die Psychoanalytiker sagen, dass dabei der Rollenwechsel vollzogen wird.

In der Operation erlebt das Kind sich als Opfer, im Spiel wird es zum Akteur", sagt Wertgen. Was erwartet die Eltern in der Genesungszeit? Erziehungsprobleme nach einer Krankheit kommen häufig vor. Ausgerechnet, wenn die Eltern Kräfte gelassen haben und denken "Jetzt haben wir das Schlimmste überstanden", müssen sie feststellen, dass ihr Kind extrem auf ihren Nerven herumtrampelt. Psychoanalytiker haben dafür eine simple Erklärung: den sekundären Krankheitsgewinn.

"Während der Akutphase steht das Kind im Mittelpunkt, es darf mehr, es bekommt mehr Geschenke", sagt der Pädagoge. In der Genesungszeit muss man von der Ausnahmesituation wieder auf Alltag umschalten. "Am besten geht das, wenn man auch im Krankenhaus nicht alle Grundsätze über Bord geworfen hat", sagt Wertgen. Wenn man nicht dauerhaft im Verwöhnmodus bleiben will, hilft nur eines: letzte Kräfte mobilisieren und Grenzen setzen.

(RP)
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