Esoterik-Vorwürfe gegen Ex-Talkmaster Fliege würde auch Brote bei Kamps segnen

Dem ehemaligen TV-Talker und rheinischen Pfarrer werfen Kritiker allzu große Nähe zur Esoterik-Szene vor. Fliege zitiert zu seiner Verteidigung aus einer privaten E-Mail von Präses Nikolaus Schneider. Die EKD distanziert sich. Fliege hingegen bleibt seiner Linie treu. Er würde auch Brote in der Großbäckerei Kamps segnen, sagt er.

Pfarrer Fliege - vom TV-Talker zum Esoteriker
7 Bilder

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Entertainer Joachim Fuchsberger, Schauspielerin Marianne Sägebrecht, Sängerin Katja Ebstein — es sind klangvolle Namen, mit denen der diesjährige "Wörishofener Herbst" wirbt. Unter dem Titel "Ehrfurcht vor dem Leben" verspricht der veranstaltende Fliege-Verlag "reichlich Informationen und Inspirationen".

Hinter dem Verlag steht Jürgen Fliege (64), ehedem erfolgreicher Fernsehtalker und heute Pfarrer der rheinischen Landeskirche im Ruhestand. Man werde "dabei sein, wie die Mediziner die spirituelle Seite des Heilens wiederentdecken", verspricht er. Termin: 28. Oktober bis 1. November, Tagungsbeitrag: 210,45 Euro, für Frühbucher 178,80 Euro.

"Vom Pastor zum Esoteriker"

Es sind auch solche Veranstaltungen, deretwegen Fliege in der Kritik steht. Fliege wirbt nämlich auch mit einem Eskimo-Schamanen und einer bayerischen "Quantenheilerin" — unter anderem. Während Fliege von "uralter christlicher Tradition" spricht, werfen ihm Kritiker wie die Sekten-Expertin Ursula Caberta vor, er sei "vom evangelischen Pastor zum Esoteriker mutiert".

Einer, dessen Name und Bild ebenfalls auf dem Werbeblatt zu finden sind, wird nicht nach Wörishofen kommen: Nikolaus Schneider (63), Präses der rheinischen Kirche und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Schneider sei am 31. Oktober, dem Reformationstag, zur Verleihung der Luther-Medaille in Eisenach, teilt die EKD mit.

Verwirrung um Kontakte

Fliege verteidigt seine Sache inzwischen damit, dass er sein Büro öffentlich aus einer privaten E-Mail seines ehemaligen Vikariatskollegen Schneider zitieren lässt, in der dieser schreibe, er habe sich mit Fliege "zum Kongress verabredet" und habe "nur" aus Termingründen abgesagt. Schneider lasse ihn zudem wissen, "dass ich bei aller schwierigen Vergangenheit einen respektvollen Ton der EKD Dir gegenüber wünsche" und "dass ich zu Dir stehe". Aus Flieges rheinischer Landeskirche dagegen ist zu hören, Schneider habe nie offiziell seine Teilnahme zugesagt; der Kontakt sei rein privat gewesen.

Die rheinische Kirche beschäftigt sich derzeit nach eigenen Angaben nicht mit dem Fall. Ein Disziplinarverfahren müsste von der Kirchenleitung beschlossen werden; am Ende kann ein Verweis stehen, aber auch eine Bezugskürzung. Das Pfarrdienstgesetz legt fest, Pfarrer müssten "in ihrem dienstlichen wie in ihrem außerdienstlichen Verhalten" berücksichtigen, "dass sie in besonderer Weise als Zeugen Jesu Christi und als Vertreter der Kirche angesehen werden". Und weiter: "Sie haben ihren Dienst nach den Ordnungen der Kirche zu führen."

Ein kritisches Auge

Die EKD hat ein kritisches Auge auf Fliege. Misstrauen erregt etwa, dass der geschäftstüchtige Gottesmann eine "Fliege-Essenz" vertreibt (95 Milliliter für 39,95 Euro, zuzüglich 5,95 Euro Versand), die er nach eigener Aussage spirituell auflädt, "um den Trost und die Kraft in die Essenz zu senden". In der "Bild am Sonntag" präzisierte er: "Ich lege meine Hände auf die Maschine. Ich spreche das Vaterunser und 1. Korinther 13." Das ist das "Hohelied der Liebe" des Paulus mit dem Kernsatz "Die Liebe hört niemals auf".

Die "kostbare Essenz" solle täglich "aufgenommen" werden, empfiehlt Fliege: "Entweder im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes oder mit den Worten des Paulus: Glaube, Liebe, Hoffnung! Oder auch mit den Worten Liebe, Glück und Heilung."

"Magische Handlung"

Das Ganze habe "Anklänge an eine magische Handlung", sagt Claudia Knepper von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der EKD. Im kirchlichen Verständnis handele stets Gott selbst in absoluter Freiheit, der Mensch könne nur darum bitten, sagt die Theologin: "Der entscheidende Unterschied in der Magie ist, dass sich der Mensch selbst einer göttlichen Kraft zu bemächtigen glaubt." Das aber werde schon im Alten Testament scharf kritisiert.

Fliege gebe sich, und zwar gleichzeitig, wie ein lutherischer Pfarrer, katholischer Priester, ein Medizinmann und Wundertäter, kritisiert Christoph Markschies, Vorsitzender der Kammer für Theologie der EKD. In der evangelischen Kirche werde der Segen Gottes den Menschen zugesprochen, nicht aber "irgendwelche Kräfte und Emotionen in materielle Objekte" gesendet.

Fliege ist bei alldem keineswegs auf Wasser festgelegt. Er könne sich auch vorstellen, sagt er, bei Großbäcker Kamps die Brote zu segnen: "Ich würde über der Hefe beten."

(RP)
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