„Das kalte Haus“ aus Dresden Dieser „Tatort“ ist kein Glücksort

Dresden · Ein Frau verschwindet, ihr Ehemann entpuppt sich als Gewalttäter und gerät unter Verdacht. Das treffendste Urteil über den Dresdner „Tatort“-Fall „Das kalte Haus“ fällt Kommissar Schnabel selbst – leider.

 Kommissariatsleiter Michael Schnabel (Martin Brambach, l.) befragt Simon Fischer (Christian Bayer), dessen Ehefrau Kathrin verschwunden ist.

Kommissariatsleiter Michael Schnabel (Martin Brambach, l.) befragt Simon Fischer (Christian Bayer), dessen Ehefrau Kathrin verschwunden ist.

Foto: dpa/Hardy Spitz

Die „Tatort“-Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und ihre Kollegin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) sind eigentlich auf dem Weg zu einer Geburtstagsparty, als sie zu einem gruseligen Haus abkommandiert werden. Dort hat sich anscheinend ein Verbrechen ereignet. Der Bewohner, Simon Fischer, hat seine Frau als vermisst gemeldet: Psychologin Kathrin gab bei Youtube Tipps zur persönlichen Suche nach dem Glück und dem eigenen „Happy Place“. Zumindest Kripo-Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) kennt ihre Videos und ist ein Fan. Doch im Haus wird sehr viel Blut gefunden, frisches und älteres. Das Auto ist weg, der Hund ebenso. Eine Freundin weiß zu berichten, dass Simon Fischer zu Gewaltausbrüchen neigt. Gorniak spürt diese unterschwellige Wut schnell bei ihm und versteift sich darauf, dass er mit dem Verschwinden seiner Frau etwas zu tun hat. Schnabel hingegen will davon nichts hören und unterstellt ihr, dass sie ihre eigenen Erfahrungen (ihr Vater schlug ihre Mutter) auf den Ehemann projiziert.

Der Dresdner Fall „Das kalte Haus“ hätte richtig toll werden können. Regisseurin Anna Zohra Berrached ließ den Schauspielerinnen und Schauspielern Platz zum Improvisieren – da wirkte manche Szene so authentisch und lebensnah, als würde man Fremde auf der Straße beobachten. Auch das Thema Gewalt gegen Frauen beziehungsweise toxische Beziehungen hätte einiges an emotionaler Fesselung geboten. Kommissarin Gorniak berichtet etwa in einer berührenden Szene davon, wie ihr Vater sie und ihre Mutter aus dem Frauenhaus zurückgeholt hat und sie eine Meerjungfrau-Barbie bekam. Ausgerechnet. Eine Frau, die gut aussieht, sich aber ohne Hilfe nicht bewegen kann, dank ihres „beknackten Fischschwanz‘“.

Doch es gibt zu viele Stellen in diesem Fall, an denen sich das Publikum entweder fragt „Wer hat sich das denn so ausgedacht?“ oder „Was soll das?“. Zum Beispiel, als die gesamte Polizeimannschaft am Tatort mit Blumen, Kerzen und „Happy Birthday“-Ständchen aus Lautsprecherboxen Kollegin Gorniak zum Geburtstag gratuliert, während sie eigentlich eine vermisste Frau suchen sollen und ein verzweifelter Ehemann langsam durchdreht. Da spielt ein Tatverdächtiger im Garten ein bisschen Golf, schlägt ein paar Bälle und bekommt von Polizisten den Tipps zur Schlägerart und zum richtigen Durchschwingen der Hüfte. Und das, obwohl Schnabel ständig darauf hinweist, wie wichtig dieser Fall ist und der Ehemann Kontakte nach ganz oben hat. „Wir sind die Dresdner Polizei und kein Gesangsverein“, blafft er: „Ihr seid doch nicht ganz dicht, das ist ein Tatort.“ Wohl wahr – und zwar im doppelten Sinne.

Ein Krimi ist kein Abbild der Realität, deshalb hinkt der Vergleich mit dem wahren Leben immer. Aber seine Macher müssen sich entscheiden, was er sein soll. Soll er eine Groteske sein, dann passen solche Szenen, soll er ein Familiendrama sein, passen sie nicht. Der Fall, in dem es viele gute und spannende Ansätze gegeben hätte, wirkt dadurch unharmonisch. Der Ehemann erlebt zudem noch Traumsequenzen oder hat Visionen, ein seltsamer Sprachassistent spielt eine wichtige Rolle. „So ein Scheiß-Fall“, entfährt es Schnabel ungefähr auf halber Strecke dieses Dresden-„Tatorts“. Wer mag ihm da schon ernsthaft widersprechen? Der „Happy Place“, der Glücksort, findet sich nicht in diesem Fall.

„Tatort – Das kalte Haus“, Das Erste, Mo., 20.15 Uhr

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