Prestige-Zeitung "Le Monde" gerät in Verruf Ein Denkmal stürzt vom Sockel

Düsseldorf (RP). Wird Frankreichs Prestige-Zeitung "Le Monde" von Gaunern manipuliert? Zwei Enthüllungsjournalisten werfen der Führungsriege der Zeitung in ihrem Buch Bestechlichkeit und unlautere Lobby-Arbeit vor.

Man stelle sich vor: Ein deutscher Herausgeber hebt Lobby-Artikel ins Blatt, ein Chefredakteur bringt Politikern gegen Bares die richtige Interview-Technik bei, oder ein leitender Redakteur schreibt einem Gewerkschaftsboss die Reden. Unvorstellbar? Nicht in Frankreich, wenn man zwei Enthüllungsjournalisten glaubt. Sie erheben schwere Vorwürfe gegen das linksliberale Prestige-Blatt "Le Monde". Die angesehenste Zeitung Frankreichs (Auflage 405 000) galt bisher als über jeden Zweifel erhaben. Jetzt wackelt der Sockel.

Auf 640 Seiten schießen die Autoren des Buches "Die verborgene Seite von Le Monde" aus allen Rohren gegen die Führungsetage der Zeitung: Bilanzfälschung, persönliche Bereicherung, fürstlich honorierte Lobby-Arbeit für Unternehmen und Politiker, mieser Kampagnen-Journalismus - den Franzosen bleibt die Spucke weg. Die Anklageschrift findet reißenden Absatz, die Startauflage von 60.000 Exemplaren wurde in ganz Frankreich innerhalb weniger Stunden aus den Regalen gerissen. Der Druck kommt kaum nach. In Pariser Verlagskreisen spricht man bereits vom größten Verkaufserfolg seit Salman Rushdies "Satanischen Versen".

Renommierte Rechercheure

Die bösen Vorwürfe der beiden Pariser Autoren Pierre Pean und Philippe Cohen werden durchaus ernst genommen. Beide sind renommierte Rechercheure. Pean gilt als eine Art französischer Günter Wallraff. Als vor Monaten ruchbar wurde, dass Pean an einem Buch über "Le Monde" arbeitet, soll die Zeitung, deren Buchbeilage entscheidend über den Publikationserfolg eines Werkes mitentscheidet, heftigen Druck auf sämtliche Verlagshäuser ausgeübt haben, um eine Publikation zu verhindern. Bis zum letzten Augenblick hatte Pean seinen Verlag geheim gehalten, gedruckt wurde "aus Sicherheitsgründen" in Spanien.

Warum so viel Angst vor der Zeitung? Pean und Cohen: "Le Monde wird heute nicht mehr respektiert für seine Werte, sondern nur noch für seine redaktionelle Feuerkraft und seine Beziehungen." Am Pranger steht vor allem das seit Mitte der 90er Jahre an der Spitze stehende Führungstrio des Herausgebers Jean-Marie Colombani, seines Chefredakteurs Edwy Plenal und des Aufsichtsratsvorsitzenden Alain Minc. Colombani soll systematisch die Bilanzen des Verlags frisiert haben. Für das vergangene Jahr hatte "Le Monde" einen Verlust von 3,2 Millionen Euro ausgewiesen. Pean und Cohen behaupten, dass die Verluste tatsächlich viermal so hoch sind.

Stimmungsmache im Wahlkampf

Ansonsten lasse sich Colombani von Firmen zu Reisen einladen, verlange Geld, um seine Beziehungen zu Politikern und Gewerkschaftern spielen zu lassen, und drohe bei Widerstand schon mal mit Pressekampagnen. "Le Monde"-Chefredakteur Edwy Plenel werfen die Buch-Autoren vor, er habe über Jahre "nebenher" für den Chef der französischen Polizeigewerkschaft gearbeitet, den er selbst häufig interviewte. Dem Dritten im Bunde, Alain Minc, machen Pean und Cohen den Vorwurf, er habe dafür gesorgt, dass "Le Monde" im Präsidentenwahlkampf 1995 für seinen früheren Arbeitgeber, Premierminister Edouard Balladur, Stimmung machte.

Mit einer sehr ironisch gehaltenen Stellungnahme reagierte die Chefredaktion des angeschossenen Elite-Blatts auf das Enthüllungsbuch, sprach von "blindem Hass", "Niedertracht" und "einer durchsichtigen Kampagne". Natürlich werde man Verleumdungsklage einreichen. Die Diskussion über das dubiose Treiben hinter der seriösen Fassade von "Le Monde" ist damit aber nicht beendet. Aufmerksamen Lesern ist nicht entgangen, dass Chefredakteur Plenel bei seinem Gegenangriff mit keinem Wort auf die konkreten Vorwürfe eingegangen ist.

Matthias Beermann

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