Aschewolke über Europa Flugverbot war unnötig

London/Berlin/Toulouse (RP). Die fast einwöchige Sperrung großer Teile des europäischen Luftraumes durch die Regierungen war wahrscheinlich größtenteils unnötig. Dies ist das dramatische Ergebnis einer neuen Festlegung von Grenzwerten, die die britische Luftfahrtbehörde CAA (Civil Aviation Authority) jetzt bekanntgab und die mit den Herstellern großer Triebwerke abgestimmt wurde.

Europas größter Flugzeughersteller Airbus begrüßt die festgelegten Grenzwerte ausdrücklich und sieht sie als nun ?allgemein anerkannte Definition akzeptabler Toleranzen? für die Einschätzung von Flugasche an.

Nicht zuletzt wegen dieser Entwicklung hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) für Dienstag zu einem Branchengipfel geladen, auf dem das künftige Vorgehen bei Krisen im Luftverkehr wegen Flugasche besprochen werden soll. Er fordert eine europaweite Festlegung, welche Grenzwerte künftig gelten sollen, schließt aber eine Übernahme der neuen Werte aus Großbritannien nicht aus.

Die Definition der neuen Grenzwerte hat zu neuem Streit über die radikalen Flugverbote in Europa geführt. Sowohl Manager von Lufthansa wie von Air Berlin sehen sich nun nachträglich in ihrer Skepsis gegen die allgemeinen Flugverbote bestätigt. "Der Himmel über Deutschland war blau, aber keiner durfte fliegen", heißt es bei Lufthansa. Man dürfe der europäischen Volkswirtschaft nicht weiter "nachhaltig schwere Schäden" aufbürden, erklärt Lufthansa-Sprecher Klaus Walther gegenüber unserer Redaktion - also keine neuen Flugverbote nur auf Verdacht hin.

"Keinerlei Auffälligkeiten"

Air Berlin hält sich angesichts der neuen Entwicklung Schadenersatzforderungen gegenüber dem Staat offen. Und der Flugzeugbauer Airbus macht sich in einer Erklärung regelrecht lustig über die Politik: Am Montag habe man einen fünf Stunden langen Testflug mit einer A 340 über Deutschland absolviert. Ergebnis: "keinerlei Auffälligkeiten". Unten am Boden durften Hunderte Maschinen nicht abheben.

Die Politik hält die Flugverbote trotz dieser Fakten auch nachträglich für richtig. "Die Vorsichtsmaßnahmen waren alternativlos", sagt Minister Ramsauer, "im Flugverkehr kann die oberste Priorität nur größtmögliche Sicherheit sein." Immerhin sterben bei einem Flugzeugabsturz direkt viele Menschen.

Trotzdem läuft alles auf eine weniger rigide Haltung hinaus, falls sich aus dem Isländer Vulkan oder woanders her erneut eine Aschewolke auf den Weg gen Europa macht. Die Londoner CAA hat erklärt, dass sie davon ausgeht, dass ihre Grenzwerte von anderen Ländern übernommen werden.

"Gebiet mit geringer Belastung"

Das in einem solchen Fall für Europa zentrale Vulkan-Asche-Beratungszentrum (VAAC), mit Sitz in London, hat sich den neuen Richtwerten bereits angeschlossen: So zeigt es auf einer Warnkarte vor vulkanischer Asche zwar einerseits noch ein gefährdetes Gebiet nach alter Definition. Danach wären am Donnerstag noch große Teile Europas für Flüge gesperrt gewesen.

Doch diese Region wird jetzt nur noch "Gebiet mit geringer Belastung" genannt. Als wirklich gefährlich sieht sie gemäß der neuen Definition dagegen nur ein kleines Gebiet südlich von Island an - nur da dürfen Fluglinien also auf keinen Fall fliegen.

Deutschland wird sich ebenfalls nach dieser neuen Definition gefährlicher Zonen richten. Denn der Deutsche Wetterdienst in Offenbach übernimmt Warnungen vor Vulkanasche von den Londoner Experten in seine allgemeinen für den Luftverkehr.

Diese wiederum sind verbindlich für das Braunschweiger Luftfahrtbundesamt (LBA), um Gebiete für den Flugverkehr zu sperren. Und gestern Abend verwies das LBA gegenüber unserer Zeitung schon auf die neuen Karten der VAAC. Für die Bürger heißt das: Sofern die Vulkane nicht völlig verrückt spielen, wird es auf absehbare Zeit keine neuen Flugverbote hierzulande geben.

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