Kölner Stadtarchiv eingestürzt ­ "Eine absehbare Katastrophe"

Köln (RP). Schon seit einem Jahr wurden verdächtige Risse und Absenkungen registriert. Doch die Stadt Köln ging davon aus, dass keine Gefahr bestand. In dem Archiv lagerten Dokumente von unschätzbarem Wert.

Historisches Stadtarchiv in Köln - Bilder vom Einsturz 2009
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Das Historische Stadtarchiv in Köln ist eingestürzt

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Foto: AP

Nach ersten Erkenntnissen steht der Einsturz offenbar im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Nord-Süd-U-Bahn. Die Katastrophe kündigte sich gegen 14 Uhr mit einem Grollen an. In letzter Sekunde konnten Mitarbeiter und Besucher des Stadtarchivs das vierstöckige Gebäude verlassen. Auch zwei benachbarte Häuser fielen in sich zusammen. Am Dienstagabend wurden noch drei Personen vermisst.

Nach Angaben der Kölner Feuerwehr wurde in der U-Bahn-Baustelle ein Kellerraum errichtet. Kölns Feuerwehrchef Stefan Neuhoff erklärte, in diesem Abstellspeicher habe nach ersten Untersuchungen "irgendetwas nachgegeben”. Bauarbeiter, die Risse und eindringendes Grundwasser bemerkten, stürzten an die Oberfläche und warnten Anwohner und Passanten.

Der neue nordrhein-westfälische Bau- und Verkehrsminister Lutz Lienenkämper (CDU) sagte, es sei falsch, voreilige Schlussfolgerungen über die Ursachen für das Unglück zu ziehen. "Ich bin entsetzt darüber, dass offenbar 1000 Jahre Kulturgeschichte unter den Trümmern liegen”, sagte Lienenkämper unserer Redaktion. Nun gelte es, die Hintergründe des Unglücks aufzuklären.

Der langjährige Abteilungsleiter des Historischen Stadtarchivs, Eberhard Illner, hat den Einsturz als "eine absehbare Katastrophe” bezeichnet. Er selbst habe bereits im vergangenen Sommer Senkungsrisse im Keller festgestellt und diesen Hinweis auch weitergegeben. Die Stadt Köln erklärte, ein unabhängiger Statiker habe die Schäden untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Gefahr für das Gebäude bestehe.

Das Volumen des Schadens sei erheblich größer als beim Brand der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek, so der Abteilungsleiter. Der Kölner Notar Konrad Adenauer, ältester Enkel des ersten Bundeskanzlers, befürchtet, dass beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs zahlreiche Archivalien seines Großvaters zerstört worden sein könnten. Das Unglück werfe "ein sehr schlechtes Licht” auf die Stadt. "Viele Menschen werden mal wieder sagen: Typisch für Köln”, sagte Adenauer. Spätestens, nachdem an der nahe gelegenen Kirche Sankt Johann Baptist vor drei Jahren schwere Schäden aufgetreten waren, hätten die Verantwortlichen für den Bau gewarnt sein müssen.

Bei ihrer Suche nach den Vermissten, die sich in einer Spielhalle und in einem Nebengebäude aufgehalten haben sollen, setzte die Polizei Spürhunde ein. Es wird nicht ausgeschlossen, dass auch Passanten von dem einstürzenden Haus begraben wurden. In einem benachbarten Gymnasium war der Unterricht zum Unglückszeitpunkt bereits schon beendet.

Der Einsatz von schwerem Räumgerät wurde vorbereitet. Die Unglücksstelle soll mit 1000 Kubikmeter Beton stabilisiert werden. Der entstandene Krater ist nach Schätzungen etwa 30 Meter tief. Es soll bis heute Nachmittag dauern, ehe der Schacht stabilisiert ist. Erst dann kann mit schwerem Räumgerät nach möglichen Opfern gesucht werden. Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) brach gestern seinen Urlaub ab, um das Krisenmanagement zu übernehmen.

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