Polizei in Mecklenburg-Vorpommern Castor-Transport verursacht Großeinsatz

Lubmin/Schwerin (RPO). Tausende Polizisten, Hunderte Demonstranten, Millionenkosten und rund 50 Stunden Dauer: Der Atommülltransport von Cadarache (Frankreich) zum Zwischenlager Nord (ZLN) bei Lubmin hat den viertgrößten Polizeieinsatz in Mecklenburg-Vorpommerns Landesgeschichte verursacht.

Nur der G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, der Besuch des früheren US-Präsidenten George W. Bush 2006 und der Castor-Transport 2001 vom brandenburgischen Rheinsberg nach Lubmin erforderten einen größeren Aufwand.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) wertete am Freitag den Einsatz von bundesweit mehr als 7.600 Beamten in Uniform als Erfolg. Die Castor-Gegner zogen trotz der im Vergleich zu Gorleben verhaltenen Proteste ein insgesamt positives Fazit der Aktionen in bundesweit mehr als 100 Städten.

Ziel am Donnerstagabend erreicht

Der Castor-Zug mit rund 2.500 hochradioaktiven Brennstäben hatte am Donnerstagabend sein Ziel erreicht. Gegen 21.50 Uhr kam der zwei Tage zuvor in Frankreich gestartete Atommülltransport am stillgelegten Kernkraftwerk Lubmin an. Für die 1.500 Kilometer lange Strecke benötigte der Zug deutlich länger als geplant.

Stundenlang stand die strahlende Fracht wenige Kilometer vor ihrem Ziel, weil sich zwei Aktivisten der Umweltschutzorganisation Robin Wood im Gleisbett mit einer Betonkonstruktion angekettet hatten. Caffier kündigte inzwischen Strafanzeige gegen die 28 Jahre alte Frau aus Dresden und den 29 Jahre alten Mann aus Köln an. Außerdem will er Schadenersatzansprüche prüfen lassen. Rechtliche Schritte gegen Robin Wood schloss er ebenfalls nicht aus.

Die Polizeieinsatzleitung meldete insgesamt zehn verletzte Beamte während des Einsatzes, keiner davon durch Fremdeinwirkung. Insgesamt kamen 290 Atomkraftgegner in Gewahrsam. Die Polizisten erteilten 208 Platzverweise.

Geduldsprobe auf den letzten Kilometern

Zur Geduldsprobe wurden erst die letzten 22, eingleisigen Kilometer vor dem Zwischenlager. Dort hatte die Polizei mehrere Aktionen der Atomkraftgegner beendet. Dazu gehörte eine Sitzblockade von mehr als 250 Demonstranten nahe Lubmin, Kletteraktionen auf Bäumen nahe der Bahnstrecke sowie von einer Brücke, die über die Castor-Strecke verläuft. Auf seiner Fahrt durch Deutschland wurde der Atommüllzug aus Südfrankreich durch Protestaktionen auf und an den Gleisen jeweils nur für kurze Zeit gestoppt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nahm den Castor-Einsatz zum Anlass, die Politiker zu einer "verantwortlichen Personalpolitik" aufzufordern. Nach einem langen Jahr unter Volllast sei die Polizei an der Belastungsgrenze, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Wiithaut. Das könne so nicht weitergehen. Die Polizeibeamten dürften nicht mehr dieser "gesundheitsgefährdenden Dauereinsatz-Knochenmühle" ausgesetzt werden.

Caffier dankte den eingesetzten Polizisten für ihren Einsatz, der Land voraussichtlich rund 1,6 Millionen Euro kostet. Alle polizeilichen Maßnahmen seien darauf gerichtet gewesen, für eine sichere Fahrt zu sorgen, betonte der Ressortchef.

Dieses Ziel sei erreicht worden, "die Sicherheit hatte jederzeit Vorrang vor der Schnelligkeit". Die überwiegende Mehrheit der Atomkraftgegner habe friedlich demonstriert und so von ihrem Versammlungsrecht und Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Caffier bedauerte zugleich, dass es während des Transports auch zu Blockade-Aktionen und damit zu gefährlichen Eingriffen in den Schienenverkehr gekommen sei. Diese Aktionen seien rechtswidrig und nicht vom Versammlungsgesetz gedeckt, kritisierte der Minister.

Inzwischen haben in Lubmin die Aufräumarbeiten begonnen. Eine Spezialeinheit der Bundespolizei werde in den nächsten Tagen alle vor zwei Wochen installierten Sicherheitseinrichtungen abbauen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei.

Bereits in der Nacht waren die ersten Polizeieinheiten sowie schwere Sicherungstechnik wie Schneeschleudern, Wasserwerfer und Hubschrauber aus Lubmin abgezogen worden. Die letzten, aus mehreren Bundesländern angeforderten Einheiten traten am Freitag die Rückfahrt in ihre Heimatstandorte an. Bei spiegelglatter Fahrbahn kamen am Vormittag auf der A 20 drei Fahrzeuge der Bundespolizei ins Schleudern, eines davon überschlug sich. Zwei Beamte wurden dabei leicht verletzt.

Voraussichtlich für Februar ist ein weiterer Castor-Transport nach Lubmin geplant. Dann sollen fünf Castor-Behälter mit 140 sogenannten Glaskokillen aus dem ehemaligen Forschungszentrum Karlsruhe überführt werden.

(apd)
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