Zurück in die Selbständigkeit

Nana Bühring-Uhle hat ihren Mann verloren. Ihre Erfahrungen als Witwe hat sie in ihrem Buch "Die moderne Form der Witwenverbrennung" festgehalten. Nach einer Phase der Trauer und dem Gefühl, eine Last zu sein, ist ihr der Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben gelungen.

45 Jahre waren sie verheiratet, sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen, hatten viele gemeinsame Freunde. Als vor knapp drei Jahren ihr Ehemann Peter an Krebs verstarb, veränderte sich Nana Bühring-Uhles Leben: Plötzlich war sie kein Teil eines Paars mehr. Sie musste wieder lernen, allein zurechtzukommen – im Alltag, im Leben.

Eigentlich kein Problem für die gebürtige Mecklenburgerin, die 30 Jahre berufstätig und viele Jahre als Mitinhaberin einer Werbeagentur selbständig war. Doch nach dem Tod ihres Mannes musste sie feststellen, dass ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Vergangenheit angehörten. "Plötzlich saß ich da und merkte, dass ich in den letzten Jahren in totaler Abhängigkeit von meinem Mann gelebt habe, von seinem Für-sie-Dasein".

Wie es ihr in den ersten beiden Jahren als Witwe ergangen ist, hat die 73-Jährige in einem Buch niedergeschrieben, das unter dem Titel "Die moderne Form der Witwenverbrennung – Protokoll einer Erfahrung" erschienen ist.

"Mein Buch soll keine Klageschrift sein. Ich möchte anderen Frauen einen Leitfaden geben, einen Weg aus der Trauer aufzeigen. Tod und Trauer sind immer noch ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft", so begründet die 73-Jährige die Motivation für ihr Buch.

Geschrieben hat die ehemalige Werbetexterin und Agenturchefin schon immer – Kurzgeschichten, Tagebücher, Erfahrungsberichte. "Wenn ich etwas im Kopf habe, schreibe ich das auch auf."

In ihrem ersten Buch beschreibt Bühring-Uhle zunächst das Phänomen der Witwenverbrennung, eine indische Tradition, bei der Witwen bei lebendigem Leib mit ihren toten Männern verbrannt werden. Ein Ritual, durch das Ehefrauen im Mittelalter hohes Ansehen in der Gesellschaft genossen.

Eine andere Art von Witwenverbrennung gebe es auch heute noch in unserer Kultur, so lautet die These ihres Buches. Das hat die Düsseldorferin nach dem Tod ihres Mannes zu spüren bekommen. "Ignoranz ist heute das Wort dafür." Damals wie heute seien "Witwen überflüssig und selbst in gewachsenen gemeinsamen Freundeskreisen alleine nicht zu integrieren", schreibt die dreifache Mutter und sechsfache Großmutter. "Alte Freunde gibt es nicht, wenn einer nicht mehr da ist", schreibt die 73-Jährige, die mit ihrem Labrador Otto unter einem Dach lebt.

Und auch die Kinder können einem nicht über die Trauer hinweghelfen. "Zuerst merkt man es gar nicht, dann bleiben die täglichen Anrufe aus, dann die wöchentlichen Blumen, die Besuche werden seltener, und die Frage ,Wie geht's Dir heute?' wird nicht immer gestellt."

Nach einer Phase der Trauer und dem Gefühl, eine Last für alte Freunde und die Gesellschaft zu sein, ist es Bühring-Uhle schließlich gelungen, einen neuen Lebensplan, den sie auch als Businessplan bezeichnet, aufzustellen: Sie geht ins Kino, hat ihr Konzert- und Opern-Abonnement wieder aktiviert, besucht Ausstellungen, verreist mit dem Kunstverein und auch alleine. Sie treibt Sport, spielt Bridge, geht ins Restaurant und verbringt täglich 15 Minuten vor dem Spiegel. "An diesen Plan halte ich mich bis heute strikt."

Drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes hat die 73-Jährige den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben gefunden: Sie unternimmt viel, hat neue Freunde gefunden. Einen neuen Mann an ihrer Seite jedoch mag sich die Witwe immer noch nicht vorstellen, zumindest keinen, der mehr sein könnte, als ein Begleiter, Zuhörer und Unterhalter. "Und wenn, dann darf das keine Zweckgemeinschaft sein." Den Jahreswechsel verbringt Bühring-Uhle in München: "Ich werde mit Freunden dort hinfahren." Fürs kommende Jahr hat sie sich vorgenommen, eine Freundin auf Mallorca zu besuchen. Auch in ihre Ferienwohnung nach Sylt möchte sie nun wieder regelmäßig fahren. Und an ihrem nächsten Buch arbeitet sie auch schon: "Darin geht es um Ehefrauen die fremdlieben, sich also ernsthaft fremd verlieben", verrät die Autorin.

Vieles hat sich im Leben der 73-Jährigen verändert. Nur eines nicht: "Wenn ich nach einem Opernbesuch bei einem Glas Wein in der Küche sitze, dann merke ich, wie sehr mir mein Mann fehlt."

(RP)
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