Mathias Richling feiert Jubiläum in Düsseldorf

Er hat seine Auftritte nicht mitgezählt. Wie auch, in den inzwischen 40 Jahren Bühnenpräsenz, die ihm offiziell bescheinigt werden. Derzeit ist er mit seinem 17. Programm unterwegs durch Deutschland. Vielleicht ist es aber auch das 40., wenn man es genauer betrachtet. Denn das, was im "Richling-Code", so heißt das Programm offiziell, steckt, ist nicht dasselbe, was es vor einem Jahr enthielt.

Kabarettist Mathias Richling (58) ist sich das selbst und seinen Zuschauern schuldig: Er ist immer am Puls der Zeit. Und so versteht er auch das Kabarett: als immer aktuelle Zeiterscheinung. Am 16. Dezember steht er im Schauspielhaus auf der Bühne. Das Kom(m)ödchen lädt dort zum Richling-Abend und da ist dann – Aktualität hin oder her – ausnahmsweise ein bisschen Nostalgie erlaubt, denn Chronisten haben auch hier eine eindrucksvolle Zahl parat: Vor 25 Jahren stand Richling zum ersten Mal auf der Bühne des Kom(m)ödchen. Diese Zahl rührt auch den Künstler selbst. "Mit dem Kom(m)ödchen verbindet mich sehr viel, vor allem mit Lore Lorentz", sagt er. Lange bevor er in Düsseldorf unter Kay und Lore Lorentz' Fittiche kam, spielte das Kom(m)ödchen für ihn aber schon eine Rolle. "Es war Thema meiner mündlichen Magisterprüfung", erzählt er. Der Student Richling und das Kom(m)ödchen in der Tradition von Kay und Lore Lorentz: "Es war ja unglaublich facettenreich. Es gab ja nicht nur einen schwarzen Vorhang und einen Barhocker, das Kom(m)ödchen war ein Gesamtkunstwerk – vom Plakatenwurf bis zum Bühnenbild", schwärmt er und fügt hinzu: "Das entsprach und entspricht auch meinem Verständnis von Kabarett."

Und so kann es kaum verwundern, dass es bei Richling auch aktuell nicht ohne Bühnenbild geht. Beim "Deutschlandmahl" versammelt er alle politisch Großen und die, die noch groß werden wollen, am Tisch. Schmidt trifft Schäuble, Kauder, Künast und natürlich Kretschmann, der erste grüne "Minischterpräsident", kommen zu Wort. Bei letzterem ist der Schwabe Richling in seinem Element, denn Kretschmann führt ihn geradewegs zum Thema "Stuttgart 21" und damit zur basisdemokratischen Bewegung, die den Kabarettisten beeindruckt hat – auch wenn der Bahnhof nach der Volksabstimmung nun doch gebaut wird. "Entschuldigung", wirft er ein. "Fast 42 Prozent dagegen, das ist mehr als ein Drittel. Wir sind Volkspartei!"

Stuttgart 21 war für Richling eine politische Zäsur, ähnlich wie vor 22 Jahren, als die Mauer fiel. "Dieser Vorgang hat zur Bewusstseinsänderung geführt", glaubt er. Und will mit seinem Programm weiter diesen Weg beschreiten. "Beim Richling-Code geht um die Entschlüsselung von Missbräuchen in der Politik, bei Banken oder in der Kirche", erklärt er und hofft, dass "die Krise, die wir jetzt haben", eine Menge korrigieren und zu einer Neuordnung führen könnte, die künftigen Missbrauch verhindert. Ob die Protagonisten des Deutschlandmahls die geeigneten Retter aus der Krise sind, lässt er offen. Was er wirklich von ihnen hält, bleibt bei seinen Parodien der Interpretation des Betrachters überlassen. Nur so viel: Für ihn als Kabarettisten gilt, was auch für Politiker gelten sollte: "Sich nicht verbiegen und nicht alles glattmachen."

Dass er beim bloßen Zuhören kaum unterscheiden kann, ob gerade Lindner oder Westerwelle redet, dürfte aber kaum als Liebesbeweis definiert werden.

"Heute braucht man ein paar Sätze mehr, um eine Person zu parodieren", räumt Richling ein. Bei Strauß und Kohl habe früher schon die Stimme oder der Dialekt gereicht, bei Stoiber genügte ein "Äh". Seine Lust, sich in Politiker zu verwandeln, hat die vermeintliche Austauschbarkeit aber nicht getrübt. "Mein Kabarett hat sich ja auch weiter entwickelt", sagt Richling. "Ich arbeite mehr Eigenschaften heraus, vergleichbar mit einer Karikatur. Es muss nicht deckungsgleich mit dem Original sein, nur typisch." Auf der Bühne wird er – anders als im Fernsehen – diese Verwandlung ohne Maskerade vollziehen. "Du musst dir das erspielen", lautet sein schlichtes Rezept. Das berühmteste dreiknöpfige Jackett der Republik wird er aber für alle Fälle im Gepäck haben.

(RP)
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