Tönisvorst Scheiden tut weh – auch ohne Bühnenbild ein gutes Schauspiel

Tönisvorst · "Küss langsam" hieß es am Donnerstagabend im Corneliusforum. Der Stadtkulturbund Tönisvorst hatte sich für seine Sonderveranstaltung eine witzige Action-Komödie ausgesucht, die gut ankam.

Am Ende hat der Zuschauer so schöne Titulierungen wie "Tütensuppenmodel", "verspannte Zicke", "Mülltrennungshitler" und "Geisteszwerg" gelernt und einen tiefen Einblick in Männer-Frauen-Klischees gewonnen. "Küss langsam" stand auf dem Spielplan des Stadtkulturbundes in Tönisvorst. Die fast 400 Zuschauer im Corneliusforum erlebten einen lustigen Abend und mit Jennifer und Michael Ehnert zwei gut aufgelegte Schauspieler.

Besonders erstaunlich an dem Stück: Es gibt kein Bühnenbild, außer zwei Stühlen keine Requisiten und auch keine Kostüme. Trotzdem schaffen es die Schauspieler, mit Mimik, Gestik, Körpersprache, verschiedenen Stimmlagen, allerlei Tönen und der Lichttechnik die unterschiedlichen Szenen zu simulieren. Der erste Akt spielt im Amtsgericht, wo sie inständig darum bittet, vorgelassen zu werden, weil sie nicht mehr länger als drei Stunden mit ihm verheiratet sein kann und so schnell wie möglich die Scheidung will. Er hingegen ist gar nicht so versessen darauf, sich zu trennen, auch wenn aus der "Love Story" längst ein "Krieg der Welten" geworden ist.

In der zweiten Szene gibt es einen Rückblick. Sie lernten sich bei Dreharbeiten zu einer Fernsehserie kennen, die nie ausgestrahlt wurde. Es darf darüber spekuliert werden, ob es an der Leistung der Schauspieler oder an den unterirdischen Dialogen lag. Kostprobe: "Ihnen sind noch nicht oft Handschellen angelegt worden, oder?", fragt er in der Rolle des Polizisten. Sie: "Nein, jedenfalls nicht im Stehen." Nebenbei bekommen die Fernsehsender, allen voran die privaten, ob solcher Dialoge im "Prime-Time-Spam" den einen oder anderen Hieb ab.

Aber nicht nur das Fernsehen, auch einige öffentliche Bauprojekte, die achtmal so teuer geworden sind, wie ursprünglich veranschlagt, werden aufs Korn genommen, darunter die Hamburger Elbphilharmonie, der Stuttgarter Bahnhof und der Berliner Flughafen. Eine Erklärung dafür findet sich übrigens auch: Unter den ganzen Neubauten werden neue Atommüll-Endlager gebaut, um den radioaktiven Müll künftig ganz dezent und fernab von der Öffentlichkeit verschwinden lassen zu können.

Nach einigen ernsthaften, unbequemen Stücken, hat der Stadtkulturbund mit "Küss langsam" eine unterhaltsame, humorvolle Komödie ins Corneliusforum geholt. Es ist diese Mischung, wegen der es sich immer wieder lohnt, einen Blick in das Tönisvorster Theaterprogramm zu werfen.

(WS03)
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