Hamminkeln Schmerzhafte Operation

Hamminkeln · Der Bagger reißt seit gestern das schöne alte „Haus Wittern“ an der Raiffeisenstraße in Hamminkeln ab. Es litt unter nur schwer zu sanierenden Alterserscheinungen und musste Platz machen für Parkraum für den Supermarkt.

Der alte Mann steht am grün-weiß gestrichenen eisernen Zaun und blickt auf die Kraterlandschaft, die noch bis zur vorigen Woche ein kleines Paradies mitten im Dorf war, wo im Frühjahr unzählige Vögel ihre munteren Stimmen erhoben. „Wie oft hab’ ich in dem Garten mit dem großen Teich gearbeitet“, gräbt der Mann in der Erinnerung und hält sich fest an seiner qualmenden Zigarre. Gestern hatte der kraftstrotzende Abrissbagger freie Bahn. Gierig riss er das „Haus Wittern“ – eins der schönsten Relikte des alten Hamminkeln – nieder, um Platz zu schaffen für 40 Parkplätze, die in der Raiffeisenstraße schon lange fehlen.

„Wie kann man ein so schönes Haus nur abreißen“, sagt eine Frau, die auf dem Parkplatz des Rewe-Marktes gerade in ihren Wagen steigt. „Zumal daneben die hässliche, ewig verlassene Halle mit den Pollern davor immer noch steht.“

So wie sie denken viele. Das hell verputzte Haus den klaren Linien, grünen Holzfenstern und markanten Fenster- und Eingangseinfassungen aus Sandstein-Blöcken war ein Kleinod. Der einstige Chef der Molkerei, Wilhelm Wittern, hatte es Ende der 30er Jahre bauen lassen. Die Nachfahren lebten hier bis vor wenigen Wochen.

Gegen die Parkplatz-Not

Weil das Haus – nach außen außergewöhnlich schön, in mehrfacher Hinsicht stolzes Zeugnis handwerklicher Meisterleistung – in der Substanz innen schwer zu behebende Alterserscheinungen zeigte, ging die Familie Wittern auf den Deal ein, den Heinz Schneiders ihr anbot. Im Tausch mit einem Grundstück an anderer Stelle im Dorf überließ sie ihm Haus und Grundstück. Damit war für den Vermieter des Rewe-Marktes der Weg frei, ein altes wie drängendes Problem zu lösen.

Die Parkplätze sind knapp in der schmalen Raiffeisengasse. Zu Hauptgeschäftszeiten ist die Parkplatzsuche zäh, oft auch knifflig. „Ich musste handeln“, sagt der Hamminkelner Geschäftsmann. „Auch mir tut der Abriss in der Seele weh. Leider ließen sich andere Lösungen nicht umsetzen.“ Ohne ausreichend bequeme Parkfläche steht ein so großer Markt ständig unter Druck. Die Konkurrenz liegt in Lauerstellung. Heinz Tittmann, Kind des Dorfes und Ex-Chef der Raiffeisenbank, beklagt bei allem Verständnis den „Verlust eines Stücks Heimat“. Er habe als Junge „oft bei Witterns im Garten gespielt“. Bürgermeister Holger Schlierf weiß, dass „viele traurig sind, weil ihnen das Haus ans Herz gewachsen ist“. Auch wenn er sich insgesamt „eine andere Entwicklung“ gewünscht hätte, sei „die Notwendigkeit, hier Platz zu schaffen“, unabweisbar. Es sei sicher, „dass die ganze Ecke weiter Diskussionsstoff“ biete, sagt er mit Blick auf die Geisterhalle, die als unschöner Platzhalter für Neues erstaunliches Beharrungsvermögen zeigt und zuletzt nur an Silvester als Party-Scheune noch zu Leben erwachte.

(RP)
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