Schwerpunkt Vorlesen Und Zuhören Beim Vorlesen lernen Kinder fürs Leben

Erkelenz · Zuhören will gelernt sein. Mütter bieten im Harbecker Kindergarten Vorlesestunden an, die eine wichtige pädagogische Funktion haben.

 Lina (von links), Leni Greta, Alina, Sophie und Paul hören Vorlesemutter Sandra Kosche aufmerksam zu. Die Sprachkompetenz der Kleinen wird beim Umgang mit Büchern gefördert.

Lina (von links), Leni Greta, Alina, Sophie und Paul hören Vorlesemutter Sandra Kosche aufmerksam zu. Die Sprachkompetenz der Kleinen wird beim Umgang mit Büchern gefördert.

Foto: JL

Mucksmäuschenstill ist es im leicht abgedunkelten Vorleseraum. Lina, Leni Greta, Alina, Sophie und Paul knien auf den Sitzkissen und schauen gebannt auf die Buchseiten, die Mutter Sandra Kosche ihnen zeigt. Aufmerksam hören die Kleinen zu, als Sandra Kosche ihnen aus dem Buch vorliest. Heute ist Vorlesetag im Harbecker Kindergarten "Rabennest".

Mit Geschichten wie "Papa schnarcht wie der Nikolaus", "Stern von Bethlehem" und "Wir freuen uns auf Heiligabend" stimmen die Vorlesemütter die Kinder auf das Weihnachtsfest ein. Als katholische Tageseinrichtung ist es den Erzieherinnen im "Rabennest" wichtig, den Kindern die Möglichkeit zu geben, den katholischen Glauben und die Kirche kennenzulernen. Die Feste im Jahreskreislauf wie Nikolaus und Weihnachten werden mit den Kindern besprochen und gefeiert - zum Beispiel während der Vorlesestunden. Auch Geschichten und Erzählungen aus der Bibel werden den Kindern nahe gebracht. Das täglich gesprochene Gebet ist ein fester Bestandteil ihres Tagesablaufs.

Während Sandra Kosche weihnachtliche Geschichten für die Kinder aus der Wiesengruppe vorliest, sitzt Vorlesemutter Alexandra Dohmen im Nebenraum mit einigen Kindern aus der Sonnengruppe beisammen. Auch dort steht das Zuhören im Mittelpunkt, Alexandra Dohmen unterbricht immer wieder das Vorlesen, stellt Fragen zu der Geschichte und lässt die Kinder über die Bedeutung der Adventszeit fabulieren. Für Alexandra Dohmen hat die Auseinandersetzung mit dem Vorgetragenen eine ganz wichtige pädagogische Funktion: Es biete Raum für die Entwicklung von Fantasie und Vorstellungsvermögen. Dieser Aspekt ist es auch, den Pädagogen am Vorlesen so schätzen. In der Welt der sprachlichen Kommunikation stecken hinter den Wörtern erlebte Bilder. Fallen Wort und Bild zusammen, entsteht Klarheit. Die Sprachkompetenz werde beim Umgang mit Büchern gefördert. Das ist beim Umgang mit digitalen Medien nicht der Fall. "Hören und Zuhören sind Schlüsselqualifikationen fürs Lernen, für Familie und Beruf", sagt Einrichtungsleiterin Margit Heckers. Während Lesen, Schreiben und Rechnen an den Schulen gelehrt werden, gelte dies für das Zuhören nicht. Darum zählt zum pädagogischen Konzept der Einrichtung auch, den Kindern das Zuhören beizubringen. Auffällig sei, dass einige Kinder deutlich besser zuhören und sich konzentrieren können als andere. "Man kann erkennen, wer zu Hause Geschichten vorgelesen bekommt und wer nicht", sagt Margit Heckers.

Die Digitalisierung sei diesbezüglich eine große Herausforderung, denn oft ist der Umgang mit Smartphones und Tablets für Kindergartenkinder schon selbstverständlich. Das sei nicht unproblematisch: Wenn Kinder gleichzeitig unterschiedliche Medien bewältigen müssen, geraten sie unter Stress und begreifen Zusammenhänge langsamer, erklärt die Einrichtungsleiterin. Das ist nicht gut für die Konzentrationsfähigkeit. Die Digitalisierung sei häufig auch ein Grund, warum in den Familien zu wenig miteinander gesprochen wird. Nicht selten werden Kinder vor den Fernseher gesetzt und so ruhiggestellt. Das könne aber dazu führen, dass Kinder Schwierigkeiten haben, sich zu artikulieren. Darum sollte nach Meinung von Margit Heckers im Kindergarten nicht der Umgang mit digitalen Medien im Mittelpunkt stehen, sondern die Frage, wie Kinder zur Sprache kommen. Der Tag mit den Vorlesemüttern gibt darauf eine Antwort. Denn während der Vorlesezeit entwickeln sich lebhafte Gespräche, die Kleinen erleben durch ihre rege Fantasie Bewältigungsprozesse, schlüpfen in andere Rollen, erfahren, dass Gelingen Durchhaltevermögen voraussetzt und lernen, spielerisch mit Frustrationen umzugehen. Kurz gesagt: In der Vorlesestunde lernen die Kleinen fürs Leben.

(RP)
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