Viersen Kneipen auf der Kippe

Viersen · Durch das Rauchverbot wird jede zehnte Kneipe aufgeben müssen, glaubt der Dehoga. Demnach wären 30 Gaststätten im Kreis bedroht.

 Josefine und Manfred Sauren müssen in ihrer Kneipe "Dorfkrug" den Gästen das Rauchen ab Mai 2013 verbieten.

Josefine und Manfred Sauren müssen in ihrer Kneipe "Dorfkrug" den Gästen das Rauchen ab Mai 2013 verbieten.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Den Qualm des letzten Zuges speit Josefine Sauren mit Wut aus. Ihre Zigarette drückt sie im Aschenbecher aus, als sei der Schuld am Rauchverbot, das ihre kleine Kneipe ab Mai 2013 überzieht. "Das ist einfach traurig, die Politiker machen vieles kaputt. Ich muss dann einen 74-Jährigen aus der Skatrunde am Tresen zum Rauchen rausschicken?", klagt die 56-Jährige. "Und bei einer Geburtstagsfeier in meinem Nichtraucher-Saal dürfen die aber noch rauchen, weil es eine geschlossene Gesellschaft ist, oder was?"

Josefine Sauren ist seit neun Jahren Wirtin der Kneipe "Zum Dorfkrug" in Viersen-Noppdorf, die abgesehen vom Festsaal keine 75 Quadratmeter groß ist und deshalb seit 2008 ein letzter Zufluchtsort für Raucher auf der Suche nach Geselligkeit war. Doch auch dies ist auf Beschluss der Landesregierung ab Mai 2013 vorbei, das neue Nichtraucherschutzgesetz kennt auch vor kleinen Kneipen und Brauchtumsveranstaltungen keine Gnade mehr. "Es wird viele Gaststätten nicht mehr geben", ahnt Josefine Sauren. Aber ihr Mann Manfred Sauren beschwichtigt: "Wir wollen erstmal abwarten, wie die Leute reagieren."

Die Befürchtungen vor allem von Wirten sind aber diese: Wenn zum Frühschoppen, zum Stammtisch, beim Skatabend oder in der Tupp-Runde in der Kneipe nicht mehr geraucht werden darf, treffen sich die Leute eben privat, und sei es in der Gartenlaube oder im Partykeller. Umsätze brechen ein, Kneipen sterben. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat die Sterblichkeit der Kneipen auf rund zehn Prozent beziffert. "Von den 278 Gaststätten, Hotels und Kneipen im ganzen Kreis Viersen werden etwa 30 wegfallen", glaubt Andreas van Loon von der Dehoga-Kreisgruppe Viersen. Van Loon ist Chef des Gasthofs Kaisermühle in Viersen. Er findet: Raucher und Nichtraucher hätten sich in den vergangenen Jahren immer gut arrangiert. "Wir haben bei der letzten Verschärfung extra einen Raucherraum gebaut. Den können wir jetzt als Lagerraum nutzen. Ich finde es aber schwierig, dass Rauchen bei Familienfeiern weiter erlaubt bleibt", sagt er. Widerstand ist zwecklos. "Wir hätten vor fünf, sechs Jahren auf die Straße gehen müssen."

Ähnliche Sorgen haben die Schützen-Bruderschaften im Bezirk Nettetal-Grefrath. Denn ab Mai ist das Qualmen auch bei Brauchtumsveranstaltungen verboten, auch in gut durchlüfteten Festzelten. "Ich befürchte, dass einige Bruderschaften ihr Schützenfest nicht mehr in der gewohnten Form werden feiern können", sagt Karl Heinz Bäumges, Bezirksbundesmeister in Nettetal und Grefrath. "Die Kosten werden durch die Gema und Sicherheitsauflagen immer höher. Wenn dann die Einnahmen wegbleiben dann wird es schwierig." Bei einigen Bruderschaften sei durch das Schützenfest bereits ein Minus aufgelaufen, das durch Spenden aufgefangen worden sei. "Wir können nur durch persönlich Einsatz die Leute motivieren, in die Zelte zu kommen", meint Bäumges. Sein Amtskollege Franz Rosenberger, Brudermeister von Schwalmtal-Brüggen, hat eine andere Lösung: freier Eintritt in die Festzelte und dafür das Bier verteuern. "Bruderschaften sind erfinderisch. Das spielt sich alles ein", sagt Rosenberger. Und Frank Schiffers, Senatspräsident des Festausschusses Viersener Karneval, ist sicher: "Das Rauchverbot hat überall funktioniert."

Das alles interessiert Wirtin Josefine Sauren allerdings wenig. Sie kann ihren Gästen in der Kneipe nur Gemütlichkeit als Programm bieten. "Und das wird uns genommen." FRAGE DES TAGES

(RP)
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