Rhein-Kreis Neuss Teures Mehl: Bäcker protestieren

Rhein-Kreis Neuss · Erst zu kalt und zu trocken, dann zu heiß, später zu nass – die Getreiderente ist schlecht. Die Preise fürs Korn steigen. Was die Bauern beruhigt, lässt Bäcker protestieren: Sie fürchten höhere Kosten und sehen ihre Existenz gefährdet.

 Bäckermeister in Sorge: Obermeister Jakob Andler, Kelzenberger Landbäckerei, Florian Otten aus Korschenbroich und Edmund Tockloth aus Büttgen.

Bäckermeister in Sorge: Obermeister Jakob Andler, Kelzenberger Landbäckerei, Florian Otten aus Korschenbroich und Edmund Tockloth aus Büttgen.

Foto: M.Reuter

Erst zu kalt und zu trocken, dann zu heiß, später zu nass — die Getreiderente ist schlecht. Die Preise fürs Korn steigen. Was die Bauern beruhigt, lässt Bäcker protestieren: Sie fürchten höhere Kosten und sehen ihre Existenz gefährdet.

Eier und Schmalz, Butter und Salz, Milch und Mehl — was im Kinderlied so einfach klingt, wird für die Bäcker zum Rechenexempel. Eine schlechte Getreideernte verknappt das Angebot und lässt die Preise steigen. Missernten in Russland und Naturkatastrophen in Asien machen das Grundprodukt aller Backwaren zum Spekulationsobjekt. So beschreibt Jakob Andler, Obermeister der Bäckerinnung, ein Szenario, das den Verbrauchern steigende Brötchenpreise bescheren und viele Handwerksbetriebe in Existenznot bringen könnte.

Andlers Backstube in Güdderath war gestern der Ort für einen kleinen Krisengipfel. "Noch gibt es etwas mehr als 50 Bäckereien im Rhein-Kreis. Aber jedes Jahr werden fünf bis sechs geschlossen", sagt Edmund Tockloth, Bäckermeister aus Büttgen .

Angesichts sinkender Gewinnmargen reichten geringe Kostensteigerungen aus, um eine Bäckerei in Existenznot zu bringen. "Der Preis für 100 Kilo Mehl ist in vier Wochen insgesamt um elf Euro gestiegen. Damit hat sich der Preis fast verdoppelt", rechnet Andler vor.

Die Schuldigen macht der Obermeister an der Börse aus: "Spekulanten verdienen x-mal am An- und Verkauf des Getreides, das in den Silos lagert — und jedes Mal steigt der Preis." Was sagen die Bauern? "Gestiegene Getreidepreise und der Ernterückgang sind keine Begründung für teurere Brötchen", so Landwirtschaftsminister Johannes Remmel und Johannes Frizen, Präsident der Landwirtschaftskammer NRW, in einer gemeinsamen Stellungnahme. Ihre Begründung: Der Anteil des Mehls an den Kosten für ein Brötchen belaufe sich auf etwa zwei Cent. Der Getreidepreis müsse sich verdoppeln, um ein Brötchen nur einen Cent teurer zu machen. Was antworten die Bäcker? "Eine Milchmädchenrechnung", sagt Obermeister Andler. Der Blick allein auf den Preis fürs einzelne Brötchen lenke von der Realität ab. Bei einem Getreideverbrauch von 100 Tonnen und mehr pro Jahr summierten sich die Zusatzkosten.

Außerdem seien die Rohstoffpreise nicht der einzige Kostentreiber. "Die Löhne sind um 2,5 bis drei Prozent gestiegen, die Ausbildungsvergütung wurde 2008 und 2010 erhöht", sagt Tockloth. Hinzu kämen steigende Energiekosten. Wie reagieren die Mühlen? Auch der Verband Deutscher Mühlen (VDM) rechnet mit einer weltweit unterdurchschnittlichen Getreideernte. Allein in Deutschland würden rund 15 Prozent Getreide weniger eingefahren. Weltweite Unwetter sorgten für "explosionsartig" steigende Getreidepreise — und verteuerten damit auch die vielfältigen Mehlerzeugnisse. "Die Getreidepreise haben sich seit Jahresbeginn um mehr als 80 Prozent erhöht", sagt VDM-Vorsitzender Hans-Christoph Erling. Was droht dem Verbraucher? Die Preise für Backwaren steigen. Drastisch teurer dürften Brot und Brötchen jedoch nicht werden. "Dann sind die Kunden weg und kaufen beim Discounter oder in der Filiale einer Großbäckerei", sagt Andler. Höhere Preise seien kaum durchzusetzen. "Dabei bieten wir höhere Qualität, mehr Vielfalt, Service und Beratung", sagt Florian Otten, Bäcker aus Korschenbroich. Die Bereitschaft der Kunden, dafür zu bezahlen, tendiere jedoch mehr und mehr gegen Null.

(NGZ)
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