Jüchen Das ewige Licht wird gelöscht

Jüchen · Otzenrath (NGZ) Vor diesem Tag haben sich die Otzenrather viele Jahre lang gefürchtet: In einem feierlichen Gottesdienst werden sie sich am Sonntag, 18. Juni, von ihrer alten Pfarrkirche St. Simon und Judas Thaddäus verabschieden.

 Der Hochaltar ist das Schmuckstück der Otzenrather Kirche. Am 18. Juni wird vor ihm der letzte Gottesdienst in St. Simon und Judas Thaddäus gefeiert.

Der Hochaltar ist das Schmuckstück der Otzenrather Kirche. Am 18. Juni wird vor ihm der letzte Gottesdienst in St. Simon und Judas Thaddäus gefeiert.

Foto: NGZ

Das Gotteshaus muss dem Braunkohle-Tagebau weichen. Auf diesen Tag wird auch der Aachener Bischof Fr. Heinrich Mussinghoff sein "Profanierungsdekret" ausstellen, das der Leiter der Hauptabteilung Seelsorge im Bischöflichen Generalvikariat, Pfarrer Rolf-Peter Cremer, am Schluss des Gottesdienstes verlesen wird.

Es wird dies die letzte Heilige Messe sein, die seit der Einweihung der Pfarrkirche am 28. Oktober 1869 gefeiert wird. Eingeladen zu diesem Gottesdienst sind alle Otzenrather Christen, die Gläubigen des Dekanats Hochneukirch sowie alle Menschen, die sich mit der St. Simon und Judas Thaddäus-Kirche verbunden fühlen. Aufgrund der zu erwartenden, großen Zahl der Teilnehmer wird er über Lautsprecher auch auf den angrenzenden Schulhof übertragen. "Der Gottesdienst wird in mehreren Teilen gefeiert", erklärt Dechant Ulrich Clancett.

Der erste Teil (bis zur Lesung) findet auf dem Schulhof im Angesicht der Kirche statt. Anschließend zieht die Evanglienprozession in die Kirche ein, wo sich nach Evangelium und Predigt von Pfarrer Hans-Peter Jeandrée die Eucharistiefeier anschließt.

Danach wird durch die Verlesung des bischöflichen Dekrets die Kirche dem weltlichen Gebrauch zurückgegeben. "Zeichenhaft verdeutlicht wird dies durch das Löschen der Kerzen und des ,Ewigen Lichtes' sowie durch die Entfernung des Allerheiligsten", erklärt Clancett.

Es formiert sich danach eine Prozession bis auf die Marktstraße, wo Busse zur Weiterfahrt nach Holz bereitstehen werden. An der Holzer Kapelle, die ebenfalls dem Tagebau weichen muss, gibt es eine Station, bevor sich die Prozession dann in Richtung der Hochneukircher Pantaleons-Kirche in Bewegung setzt, in der bis zur Einweihung der Kapelle in Neu-Otzenrath das Allerheiligste sowie die Sakralgegenstände der ehemaligen Otzenrather Pfarrkirche aufbewahrt werden.

Die musikalische Gestaltung liegt in den Händen der Kirchenchöre Otzenrath und Hochneukirch unter Leitung von Willi Junker sowie der Jägerkapelle unter Stabführung von Christoph Schüller. Zum Gottesdienst wird es einen Bus-Zubringer aus Jüchen und Neu-Otzenrath sowie Neu-Holz und Hochneukirch geben.

Otzenrath, das 1274 als Huzenrode erstmals urkundlich genannt wurde, gehörte zur Pfarre Keyenberg. Eine Kapelle wird hier 1534 in einem Bericht des Rektors Gerhard Koenen an den Amtmann zu Grevenbroich erwähnt. Sie hatte alle Rechte einer Pfarrkirche - mit Ausnahme der Taufe. 1560 war Johan Borssmich Rektor der Kapelle.

Taufe und Eucharistie waren für ihn nur Symbole, die Liturgie hielt er nach eigenem Ritus. Als guter Prediger hatte er viel Zulauf aus der Umgebung; so wurde in Otzenrath der Protestantismus eingeführt, einen eigenen Geistlichen erhielt die evangelische Gemeinde 1676. Bis Ende des 18. Jahrhunderts mussten Katholiken und Protestanten gemeinsam für den Unterhalt der Kirche aufkommen. Am 22. Oktober 1777 wurde Otzenrath von Keyenberg getrennt und zur Pfarre erhoben.

Im 30-jährigen Krieg, wahrscheinlich 1642, wurde die Kirche unbekannten Alters von hessischen Truppen zerstört. Ein "stilloser", wohl dreischiffiger Neubau war im 19. Jahrhundert baufällig und wurde 1869 abgebrochen. An seiner Stelle wurde "eines der interessantesten Bauwerke" des Rheinlandes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesetzt. Die Pläne waren von Hugo Schneider aus Aachen, der auch die gesamte Einrichtung entwarf.

Am 12. April 1869 war die Grundsteinlegung, am 28. Oktober 1870 die feierliche Weihe. Nach den Plänen von Hugo Sauer aus Köln wurde 1899 an der Südseite des Westbaus eine Muttergottes-Kapelle gebaut, als Gegenstück zur Taufkapelle an dessen Nordseite.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche schwer beschädigt - 1943 durch Fliegerangriffe, 1945 durch Artilleriebeschuss. Im August 1985 weihte Weihbischof August Peters den Zelebrationsaltar. 1987 erhielt die Kirche ein neues Hauptportal, das nach dem Entwurf des Otzenrather Pfarrers Matthias Cremer gefertigt wurde.

(NGZ)
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