Expedition ins Dunkle Der Bunker von Bauer & Schaurte

Nordstadt · Gut 1500 Menschen fanden im Krieg in der kreisweit größten Luftschutzanlage Zuflucht. Jetzt wurde sie versiegelt. Vorher wurde sie vermessen und dokumentiert.

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Das ist der Bunker von Bauer & Schaurte in Neuss

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Foto: Christoph Kleinau

Das Zwangsarbeiterlager Weißenberger Weg 4 war während des Zweiten Weltkrieges eines von drei Lagern der Rheinischen Schraubenfabrik Bauer & Schaurte. Um die Jahreswende 1942/43 errichtet, lebten in ihm bis zu 500 Menschen in drangvoller Enge zusammen. Unter ihren Holzbaracken – und für die „Ostarbeiter“ auch im Alarmfall nicht zu betreten: das Stollensystem des Luftschutzbunkers der Fabrik. Von den 180 Bunkern, die dem Verein „Luftschutzanlagen Rhein-Kreis Neuss“ bislang bekannt sind, ist diese, in der bis zu 1500 Menschen Schutz und Zuflucht vor den Bomben finden konnten, die kreisweit größte Anlage. Seit kurzem ist sie unerreichbar.

Drei Treppen führen in dieses Labyrinth aus Stahl und Beton hinab. Mit dem Abbruch der Werkshallen, die in den 1950er Jahren anstelle der Arbeiterbaracken errichtet worden waren, wurden sie zugemauert, mit Sand verschüttet und mit einem Betondeckel versiegelt. Das soll verhindern, dass sich Neugierige unerlaubt Zutritt verschaffen und damit in Gefahr bringen.

Kurz bevor die Abbruchfirma Prangenberg & Zaum den Deckel drauf machte, gewährte Polier Christian Anlage dem Stadtarchivar Jens Metzdorf, dem Fotografen Thomas Mayer sowie Stefan Rosellen und Jörn Esposito vom Verein „Luftschutzanlagen Rhein-Kreis Neuss“ Zutritt zu dieser unbeleuchteten Unterwelt. Zu Dokumentationszwecken. „Wir wollen die Anlagen und das Wissen darüber öffentlich machen“, sagt Esposito.

Über den Zeitpunkt, wann das Bunkersystem geschaffen wurde, hat Stadtarchivar Jens Metzdorf in seinen Beständen und den gesicherten Werks-Archivalien der Schraubenfabrik nichts finden können. Im Lichtkegel der Taschenlampen scheinen beim Gang durch die Stollen jedoch Hinweise auf, die einen Baubeginn vor Kriegsausbruch oder kurz danach wahrscheinlich machen. Typenschilder mit der Jahreszahl 1939 und Türen der Firma Pelz aus dem Jahr 1940 mit dem Zusatz: „Vertrieb gemäß Paragraph 8 Luftschutzgesetz genehmigt“.

Außer diesen Hinweisen sind nur noch die holzbeklankten Bänke in den langen Röhren, Beschriftungen in den Gängen und Räumen oder vereinzelte Rohre und Regler original. Denn der Bunker wurde nach dem Krieg von dem Unternehmen weiter genutzt, zum Beispiel als Keller, in dem Modelle und Gussformen eingelagert wurden. Sie schienen den Dieben, die nach Stilllegung dieses Werksteils vor einigen Jahren in den Bunker eindringen konnten, die Mühe nicht wert. Sie hatten es mehr auf die Kabel für Licht und Stromversorgung abgesehen, von denen sie die Kunststoffisolierung abschälten und diese in meterlangen Bahnen einfach ließen ließen.

Zweimal, berichtet Metzdorf, erhielt der Bunker im Krieg Bombentreffer. Ein Bild aus dem Archiv ist erhalten, dass die anschließenden Aufräumarbeiten belegt. Anhand dieser Aufnahme fanden er und die anderen Experten im Bunker selbst die anschließend wieder ausgebesserte Schadstelle. Ob die Bombentreffer Menschenleben forderten, ist nicht bekannt.

Mit der Versiegelung der Zugänge ist über das Schicksal des Bunkers abschließend noch nicht entschieden. Auf der alten Fabrikfläche soll ein Quartier mit bis zu 500 Wohnungen entstehen – plus Tiefgarage. Einfach wird das nicht. Und preiswert sicher auch nicht.

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