Neuss Ein Tanz um den Kreis als Symbol des Lebens

Neuss · Die Kibbutz Contemporary Dance Company gastierte in der Stadthalle - auch im Rahmen der Jüdischen Kulturtage.

 Szenen mit archaischer Wuchte gehören zu der Choreographie von "If at all" von Rami Be´er.

Szenen mit archaischer Wuchte gehören zu der Choreographie von "If at all" von Rami Be´er.

Foto: Uri Nevo

Der Anfang ist besinnlich. Olga Stetsyuk, Tänzerin der Kibbutz Contempory Dance Company (KCDC) steht allein auf der leeren Bühne, nur ein kleiner gelber Mond leuchtet über ihr im Hintergrund. Sie vollzieht behutsame, fast meditative Schritte, bewegt sich aber auch voller Kraft und Schönheit. Dieser kontemplative Moment wird von heftigen Trommelschlägen beendet, sieben männliche Tänzer in weiten schwarzen Röcken stürmen auf die Bühne, umkreisen Stetsyuk, um schließlich auf dem Boden hockend zu verharren.

Ein beeindruckender Auftakt von "If at all", einem fast perfekten Stück der KCDC unter der Leitung von Rami Be´er, neben der Batsheva Dance Company das Aushängeschild des israelischen zeitgenössischen Tanzes. Beérs Company setzte bei den Internationalen Tanzwochen in der Stadthalle den Schlusspunkt der aktuellen Saison.

Be´er zeichnet dabei nicht nur für die Choreographie verantwortlich, sondern auch für die Beleuchtung, die Kostüme und die Musik. Letztere liefert einen atmosphärischen Beitrag, der von verstörenden Soundcollagen bis zu beschwingter Neo-Romantik reicht. Es geht Be´er um den Kreis als Symbol für das Leben, ein Auf und Ab, in dem der Konflikt eine zentrale Rolle spielt.

Wer denkt bei einer Szene, in der sich die Tänzer zum Klang von Explosionen und Schreien bewegen, nicht an die permanente Konfliktsituation Israels. Gleichzeitig kann man "If at all" aber auch als allgemeingültige Allegorie deuten, als das Ringen des Menschen um seinen Platz in der Gemeinschaft. Denn immer wieder schimmert durch, dass es das Miteinander ist, was die Gesellschaft antreibt. Be´er entzieht sich solchen Deutungen mit dem Titel des Stücks. "If at all", wenn überhaupt, lautet sein Kommentar zu diesen Interpretationen. Und weil er keine Geschichte erzählt, sondern Bilder malt, darf man sich an der Virtuosität seines Ensembles erfreuen. Und an Szenen von archaischer Wucht. Wenn die Tänzer Renana Randy wie ein Opfer bedrängen, wenn sie an anderer Stelle wie ägyptische Krieger einmarschieren, sind das Bilder einer Ur-Gesellschaft, deren Gene noch immer in uns stecken.

Erst am Ende scheint es so etwas wie Erlösung zu geben. Das Ensemble tanzt zu folkloristischen Klängen fast einen Ringelreihen, bis die pastorale Idylle abrupt endet. "If at all" ist zeitgenössischer Tanz, der schon klassischen Charakter hat, äußerst poliert und in sich geschlossen. Das Publikum spendete begeisterten Applaus.

(NGZ)
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