Mönchengladbach Biogas: Über Widerstand enttäuscht

Mönchengladbach · Interview mit NVV-Vorstandsmitglied Dr. Rainer Hellekes und Kreislandwirt Wolfgang Wappenschmidt über die in Wanlo geplante Biogasanlage, ihre Bedeutung für die Landwirte und für die NVV. Hellekes äußert sich auch dazu, wie sich der Versorger in Zukunft neu aufstellen will.

Warum beteiligen sich die Landwirte mit mehr als einer Million Euro an der geplanten Biogasanlage?

Wappenschmidt Wir Landwirte sind bei diesem Projekt nicht nur Rohstofflieferanten, sondern an der gesamten Wertschöpfungskette beteiligt.

Was für eine Rendite erhoffen Sie sich?

Wappenschmidt Wir erhoffen uns eine Rendite weit über der Fremdkapitalverzinsung. Uns ist bewusst, dass wir dafür ins Risiko gehen und es sich hierbei nicht um eine festverzinsliche Anlage handelt.

Hellekes Das ist kein Geschäftsmodell, das auf Rendite ausgerichtet ist.

Warum bringt die Biogasanlage den Landwirten Sicherheit?

Wappenschmidt Wir brauchen neue Betriebszweige und Kulturen um unsere Betriebe zu stärken. Die Zuckerrübe war unsere wichtigste Ackerkultur, aber mit der Zuckermarktreform ist der Rübenpreis auf die Hälfte gesunken. Die Landwirte brauchen Fruchtfolgen, die sich wirtschaftlich tragen. Da wir wenig Viehbetriebe in der Region haben und deshalb kaum Futtermais brauchen, ist es verantwortbar, Energiemais für die Biogasanlage anzubauen. Derzeit haben wir knapp sechs Prozent Mais in der Fruchtfolge. Da ist noch Spielraum.

Wie viele von den 80 Landwirten kommen aus Mönchengladbach?

Hellekes Über 50, wobei der Schwerpunkt in Rheindahlen liegt. Außerdem aus dem Korschenbroicher und Erkelenzer Raum.

Haben Sie Gegenwind auch für die Landwirte erwartet?

Wappenschmidt Wer Mitbetreiber der Biogasanlage ist, muss Diskussionen aushalten können. Der starke Widerstand überrascht und enttäuscht mich aber doch. Es gehört zur modernen Landwirtschaft, mit nachwachsenden Rohstoffen einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Auf eine möglichst geringe Belastung der Bevölkerung haben wir Rücksicht genommen, der Abstand zu Wanlo und Hochneukirch ist groß, von der Wohnbebauung aus ist die Anlage kaum wahrnehmbar. Die Zufahrtswege sind klar festgelegt. Mich enttäuscht es, wenn Leute sagen: Ihr könnt erzählen und tun, was ihr wollt, wir wollen die Biogasanlage einfach nicht.

Hellekes Das liegt, glaube ich, an der Vorbelastung. Die Leute in Wanlo sind sensibilisiert. Und es gibt generell den Trend, dass viel kritischer hinterfragt wird, was ich auch gut finde. Vieles davon haben wir ja aufgenommen. Deshalb sind wir sehr früh in die Diskussionsphase gegangen. Aber in dem Moment, wo man sagt, wir wollen keine Argumente, haben wir ein Problem.

Gibt es andere mögliche Standorte?

Hellekes Auszuweichen ist aus wasserwirtschaftlicher und aus landwirtschaftlicher Sicht falsch. Und dass andere Stadtteile nichts Ähnliches in der Nähe haben, ist schlicht falsch. Neuwerk hat eine Kläranlage. Ich wohne in Hardt und habe Windräder und zwei Biogasanlagen in der Nähe. Es ist überall etwas. Es gibt keine Alternative zu Wanlo. Noch einmal: Man sieht von Wanlo aus die Anlage nicht, und man riecht sie nicht.

Wenn Sie ein Jahr zurückgehen könnten – würden Sie was anders machen?

Hellekes Ich bin mir nicht sicher. Hätten wir vor der ersten Vorstellung Änderungen aufgenommen, hätten wir vielleicht mehr Akzeptanz. So ist vielleicht bei einigen der Eindruck entstanden, dass wir die Anlage so und nicht anders verwirklichen wollen.

Gibt es einen konstruktiven Dialog mit den Bürgern?

Hellekes Es gibt mehrere konstruktive Anregungen von einzelnen Bürgern, darunter eine ganze Menge interessante Lösungen, die es zu prüfen gilt. Auf diese Weise sind neue Zulieferrouten entstanden. Nur noch ein Trecker mit Mais muss durch Wanlo durch, das sind 0,3 Stunden im Jahr. Wohlgemerkt fährt dieser Trecker sonst auch mit Zuckerrüben durch den Ort.

Wie lange dauert die Anlieferung?

Wappenschmidt Die Maisernte erfolgt im Herbst innerhalb eines Zeitraums von drei bis vier Wochen, wobei die tatsächliche Erntezeit sehr viel kürzer ist. Hinzu kommen Teiltransporte im Frühjahr, wenn das Gärsubstrat als Dünger auf die Äcker ausgebracht wird. Wie viele Tage für den Transport zur Verfügung stehen, ist im städtebaulichen Vertrag ganz klar geregelt. Das werden wir einhalten.

Sehen Sie Ähnlichkeiten zu Stuttgart 21?

Hellekes Das kann man nicht vergleichen, das ist etwas ganz anderes.

Aber die Vehemenz der Proteste . . .

Hellekes Der Protest ist vielleicht ähnlich, nur in viel kleinerem Rahmen.

Was würden Sie sagen, wenn Sie in Wanlo wohnen würden?

Hellekes Das fragt mich meine Tochter auch, und ich sage ihr immer: Ich habe in Hardt ähnliche Verhältnisse mit zwei Biogasanlagen in der Nähe. Ich käme aber nicht auf die Idee zu protestieren.

Wann steht die Biogasanlage?

Hellekes Wenn die Politik sich für den Bau entscheidet, treten wir schnell in die Bauphase ein. Wenn im nächsten Herbst der Mais kommt, sind wir betriebsbereit.

Wie sehen Sie die Anhörung in der vergangenen Woche?

Hellekes Emotionen haben sie bestimmt. Mehr als 1000 Einwendungen gab es noch nie. Es kommen auch viele Sachen, die nicht richtig sind oder auf mangelndem Informationsstand beruhen.

Sehen Sie noch juristische Probleme?

Hellekes Das Verfahren war von Seiten der Verwaltung sehr sorgfältig vorbereitet, und es wurden auch externe Berater eingeschaltet. Es wird bestimmt etwas kommen, aber wir befürchten nicht, zurückgepfiffen zu werden.

Was bedeutet es für die NVV, wenn die Anlage nicht gebaut wird?

Hellekes Erstens haben wir sehr viel Zeit und Geld in die Planung hineingesteckt. Und zweites wäre das ein gravierender Rückschlag in der Entwicklung der Energieversorgung. Erneuerbare Energien müssen nach vorne. Wir konzentrieren uns auf drei Säulen: Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen. Wenn Letzteres wegfällt, wäre das ein Rückschlag. Außerdem steht zu befürchten, dass Landwirte oder andere Firmen eine solche Anlage in geringerer Größe bauen. Die müssen nicht auf den besonderen Grundwasserschutz achten und haben es nicht so schwer bei der Genehmigung. Diese Betreiber hätten ganz klar andere Interessen.

Wappenschmidt Auch einzelne Landwirte, die eine Biogasanlage betreiben, haben sich natürlich an die Gesetze zu halten. Aber sie müssen nicht derart stark Einschränkungen akzeptieren, zu denen wir uns für unsere Biogasanlage im städtebaulichen Vertrag verpflichtet haben.

Wenn also ein anderer Betreiber eine Biogasanlage baut, könnte es umweltbelastender werden, der Mais könnte genmanipuliert sein und nicht die Gesamtheit der Landwirte, sondern nur einige wenige profitieren.

Wappenschmidt Derzeit gibt es keinen großflächige Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Deutschland. Sollte der Gesetzgeber dies in der Zukunft jedoch zulassen, könnte auch in unserem Raum gentechnisch veränderter Energiemais angebaut werden. Allerdings nicht jedoch für unsere Anlage, denn das haben wir vertraglich ausgeschlossen.

Betont die NVV alle drei Säulen der erneuerbaren Energien gleich stark?

Hellekes Wir wollen die ganze Palette einsetzen und in einer zentralen Einheit bündeln. Bei Sonnenenergie denken wir zur Zeit über Großflächen nach. Wir arbeiten mit der Stadt und einer Bank derzeit intensiv an einer Bürger-Solargenossenschaft. Bei Wind gibt es sicher günstigere Standorte.

Wird es in Mönchengladbach mehr Windräder geben?

Hellekes Nein, aber an anderen Standorten. Die Biogastechnologie ist sehr sinnvoll, wenn man das Gas einspeist, um etwa ein Blockkraftheizwerk zu betreiben. So erzielt man eine ganz andere Energieeffizienz und gibt den Anstoß, neue Technologien einzusetzen.

Wenn Sie Anreize geben, Energien einzusparen, nehmen Sie sich selbst den Markt.

Hellekes Und deshalb wollen wir immer mehr Dienstleistungen anbieten und als Berater für Energieeffizienz auftreten. Wir wollen nicht nur Strom und Gas abliefern, sondern weiter gehen.

Also ein einziger Ansprechpartner in Energiefragen sein.

Hellekes Genau das ist der Punkt. Es gibt so viele Dinge zu beachten, wenn man zum Beispiel eine neue Heizung einbauen will. Dafür braucht man Experten.

Das ist ein großer Strategiewechsel.

Hellekes Wir haben zum Beispiel immer den sinnvollen Umgang mit Wasser propagiert, obwohl wir genug haben. So haben wir den jährlichen Verbrauch von 20 Millionen Kubikmeter auf 15 Millionen reduziert. Zu sagen, verbraucht ruhig, ist zu kurz gedacht.

Müssen Sie sich dann auch personell anders aufstellen?

Hellekes Bestehendes muss weiter laufen. Aber in vielen Bereichen brauchen wir neue Mitarbeiter. Wir wollen zum Beispiel Allrounder ausbilden, die eine Ausbildung in Elektrik und in Anlagenmechanik haben. So geht demnächst nur einer bei den Kunden in den Keller.

Bleibt am Niederrhein nur ein Versorger übrig?

Hellekes Auf ganz lange Sicht zeichnet sich das ab. Man muss immer weiter kooperieren, in welcher Gesellschaftsform auch immer.

Wann übernehmen Sie die Stadtwerke Krefeld?

Hellekes Ich glaube nicht, dass in der nächsten Zeit etwas passiert. Wir werden Kooperation ausbauen.

Das Gespräch führten Andreas Gruhn, Ralf Jüngermann und Dieter Weber

(RP)
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