Volleyball Der Sport hat mir geholfen

Timo Hager ist Stammspieler in der Deutschen Volleyball-Nationalmannschaft der Behinderten. Der 31-Jährige trainiert das Frauen-Team der Hildener AT. Hager selber ist zu 80 Prozent Schwerbehindert.

"Das geht nicht, das kann ich nicht. Das ist zu schwierig." Solche Aussagen bringen Timo Hager auf die Palme. "Man kann alles lernen, deshalb lasse ich solche Ausreden nicht gelten." Der 31-Jährige ist der beste Beweis dafür, wie viel Willenskraft ein Mensch nach einem Schicksalsschlag aufbringen und wie viel Lebensfreude er entwickeln kann.

Denn: Timo Hager ist zu 80 Prozent schwerbehindert, ihm fehlt der gesamte Oberschenkel. Eine so genannte Umkehrplastik, bei der der Unterschenkel um 180 Grad gedreht an der Hüfte angebracht und nach unten durch eine Prothese verlängert wurde, ermöglicht es ihm heute, ein weitgehend "normales" Leben zu führen — und bescherte ihm Erlebnisse, die er ohne die Behinderung nicht gehabt hätte.

"Nehmt mir das Bein ab."

Als er 16 Jahre alt war und sich gerade auf einen USA-Aufenthalt vorbereitete, wurde bei einer Routineuntersuchung ein zwei Kilo schwerer Tumor in seinem Oberschenkel entdeckt — der Beginn einer vierjährigen Leidensgeschichte. Zehn Operationen folgten, täglich Schmerzmittel, endlose Diskussionen mit den Ärzten, die versuchten, das Bein mit allen Mitteln zu retten. Letztlich traf Timo Hager selbst die Entscheidung: "Nehmt mir das Bein ab." Rückblickend, stellt er heute fest, sei das eine zugleich verzweifelte, aber auch genau die richtige Entscheidung gewesen. Die Schmerzen hörten auf, durch die Umkehrplastik begann ein neues Leben für Hager. Und in ihm erwachte die Sehnsucht nach sportlicher Betätigung: "Ich vermisste das Gefühl zu schwitzen, meinen Körper zu spüren. Das hatte sich über die Jahre regelrecht angestaut."

Mit 20 Jahren und als Neuling an der Uni Wuppertal entdeckte er den Volleyball für sich, brachte sich fast alles selbst bei, indem er kopierte, was er bei anderen gesehen hatte. Das war der Auftakt für eine bemerkenswerte Karriere: Nach seinen ersten Gehversuchen in der Sportart 1996 bekam er zwei Jahre danach Kontakt zur Deutschen Nationalmannschaft der Behinderten. Er absolvierte Lehrgänge, spielte bei internationalen Turnieren, stand bei Bayer Wuppertal unter Vertrag, später bei der TSG Solingen.

Sydney: Gold — Mettmann: Bronze

Und dann der erste Höhepunkt: Im jahr 2000 Olympisches Gold bei den Sommerspielen in Sydney. "Davon hatte ich als Kind geträumt. Ohne die Sache mit meinem Bein wäre es auch ein Traum geblieben", weiß Timo Hager, der dann auch mit der deutschen Mannschaft im April 2004 bei der Weltmeisterschaft in Mettmann durch ein 3:0 über Polen Bronze gewann.

Nach ersten Stationen als Jugend- und Frauen-Trainer entstand ein Kontakt zur Hildener AT, die er 2001 als Spieler bei einem Turnier unterstützt hatte — und prompt den Wettkampf gewann. Vor wenigen Wochen hat der gebürtige Beyenburger die Frauen-Mannschaft der HAT übernommen. In Kürze wird er sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Wuppertal abschließen. Berufsschullehrer würde er gern werden oder in der Personalentwicklung arbeiten.

Aber Timo Hager weiß, wem er die letzten zehn tollen Jahre hauptsächlich zu verdanken hat: "Der Sport allein hat mir geholfen, meine Identität zu finden und Selbstvertrauen zu entwickeln."

(RP)
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