Wülfrath Der Marktmeister sagt Adieu

Wülfrath · Richard Seidler hat 14 Jahre lang auf dem Wochenmarkt seinen Dienst getan. Nun hat sich der 70-jährige Wülfrather in den verdienten Ruhestand verabschiedet.

 An seinem letzten Arbeitstag führte Marktmeister Richard Seidler noch einmal viele Gespräche, wie hier mit Angelika Remmel-Peci vom Wurstwagen.

An seinem letzten Arbeitstag führte Marktmeister Richard Seidler noch einmal viele Gespräche, wie hier mit Angelika Remmel-Peci vom Wurstwagen.

Foto: Dietrich Janicki

Richard Seidler ist Frühaufsteher. Wenn die letzten Nachtschwärmer am frühen Samstagmorgen ins Bett gehen, klingelt bei ihm der Wecker. Um vier Uhr ist der Wülfrather auf den Beinen und wenig später auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz. Dort angekommen, sieht er sich zunächst nach Falschparkern um und lässt vergessene Fahrzeuge abschleppen. Anschließend holt er seine Zange aus der Tiefgarage und beginnt damit, den Platz Am Diek von Zigarettenkippen, Bierdosen und achtlos weggeworfenen Verpackungen zu befreien.

"An manchen Tag sind zwei Säcke Müll zusammengekommen", berichtet der Marktmeister. Ihm war es immer wichtig, dass das Pflaster sauber ist, wenn gegen sechs Uhr die ersten Stände anrollen. Wer in Zukunft auf dem Platz für Ordnung sorgt, ist ungewiss. Richard Seidler hat seinen letzten Dienst versehen und hinterlässt eine Lücke. "Vor einem Jahr habe ich gekündigt, pünktlich zu meinem 70. Geburtstag. Irgendwann muss auch mal Schluss sein", sagt der resolute Wülfrather, der noch heute in seinem Geburtshaus in der Kirschbaumstraße wohnt.

Keinen Nachfolger gefunden

Ein Nachfolger für ihn hat sich nicht gefunden. "Wer steht schon am Wochenende um vier Uhr auf? So jemand findet sich nicht so leicht", sagt Richard Seidler. Er hat 14 Jahre lang auf dem Markt die Verantwortung getragen. "Ein bisschen ist es auch mein Kind", sagt er betont sachlich. Pathos und große Worte liegen dem nüchternen Mann mit den weißen Haaren und dem durchdringenden Blick nicht. "Nur als die Bürgermeisterin mich in der Ratssitzung verabschiedet hat, sind mir die Tränen gekommen. Darauf war ich nicht gefasst", gesteht der 70-Jährige. Die guten Wünsche von Markthändlern und Kunden nimmt er dagegen gelassen entgegen. "Die bedauern alle, dass ich aufhöre. Wir waren wie eine große Familie", sagt Richard Seidler und hält auf einem seiner letzten Rundgänge hier und da ein Schwätzchen. Ihm ist anzusehen, wie sehr die Menschen ihm ans Herz gewachsen sind. Die Gemeinschaft hat ihn jeden Samstag motiviert, früh aufzustehen, jeden Händler zu begrüßen und weit mehr zu tun, als Dienst nach Vorschrift.

Zwar muss bei ihm alles seine Ordnung haben, doch er kassierte nicht nur die Standgebühren ab, sondern stand den ganzen Vormittag als Ansprechpartner zur Verfügung. "Für den einen oder anderen habe ich am Kiosk auch mal einen Kaffee besorgt, oder wenn jemand alleine am Stand war und zur Toilette musste, bin ich eben eingesprungen", berichtet der Marktmeister.

Um das Angebot noch attraktiver zu machen, hat er regelmäßig auch Märkte in der Nachbarschaft besucht, um dort für den Wülfrather Markt zu werben. "Früher bin ich bis nach Dortmund gefahren und habe bei den Händlern herumgefragt, ob sie nicht hierher kommen wollen." Einige kommen bis heute, andere waren nach zwei Monaten wieder verschwunden. "Als eine meiner letzten Amtshandlungen habe ich einen Blumenhändler und den Scherenschleifer verpflichtet", berichtet Richard Seidler mit hörbarem Stolz. Um den Zusammenhalt zu stärken, hat er jedes Jahr einen gemeinsamen Ausflug organisiert. Beim Kegeln, im Zeittunnel oder an der bergischen Kaffeetafel sollten sich die Marktbeschicker in einer anderen Umgebung besser kennen lernen.

"Wenn ich nicht mit so viel Herzblut dabei gewesen wäre, hätte ich nicht jeden Samstag um vier Uhr aufstehen können." Die Gewohnheit wird ihn wohl auch an den nächsten Wochenenden früh wecken, doch dann kann sich Richard Seidler noch einmal umdrehen, bevor er zum Markt geht, um einzukaufen.

(domi)
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