Leverkusen Faszinierend trostlos

Leverkusen · Der ehemalige Lehrer der Gesamtschule Rheindorf, Jürgen Hebestreit, stellt im Forum aus. Humor und Sarkasmus sprechen aus vielen Fotos.

 Duisburger Garten-Idylle vor der mächtig wirkenden Industrieanlage – Jürgen Hebestreit dokumentierte mit scharfem Auge die Gegensätze.

Duisburger Garten-Idylle vor der mächtig wirkenden Industrieanlage – Jürgen Hebestreit dokumentierte mit scharfem Auge die Gegensätze.

Foto: Hebestreit

Es sind Bilder aus einer längst vergangenen Zeit, die bis Weihnachten in der Galerie im Forum ausgestellt sind. Fotografien aus Köln-Kalk etwa, wo Jürgen Hebestreit aufgewachsen ist und in den Sechzigern ständig mit seiner Leica unterwegs war.

Nicht alles, was er auf seinen Streifzügen mit der Kamera festhielt, genügte damals seinen Ansprüchen oder Ausdruckswünschen. Er fand sie nicht würdig für einen Papierabzug, sammelte aber sämtliche Negative in entsprechenden Taschen.

Alte Negative werden wichtig

Vielleicht ahnte er unbewusst, dass sie ihm eines Tages wichtig sein würden. Seit er nach einem Berufsleben als Lehrer in der Rheindorfer Gesamtschule im Ruhestand ist, holt er die alten Negative hervor, scannt Einzelstücke ein und bearbeitet sie am Computer, um sie in größeren Formaten auszudrucken. So erklärt sich der Titel "nebenan und nebenbei" für die Forum-Ausstellung.

Dort wird der Betrachter vor einigen Exponaten zwischen Faszination und Trostlosigkeit hin und her gerissen. Was Jürgen Hebestreit ganz bewusst mit der Wahl seiner Bildausschnitte lenkt.

Wenn etwa in der unteren Hälfte ein Gärtner in Duisburg in seiner kleinen grünen Idylle zu sehen ist, der Blick auf den Horizont-Himmel aber versperrt ist vor bedrohlich riesigen Industrieanlagen im Hintergrund.

Oder wenn drei Jugendliche stolz neben zwei Motorrädern posieren, der Fotograf sie aber an den unteren Bildrand drängte, um die unverputzte Hausfassade dahinter mit aufzunehmen, die ahnen lässt, dass hier Kriegsschäden noch nicht ganz beseitigt wurden. Einige Aufnahmen sind Abfallprodukte von Auftragsarbeiten, die Hebestreit damals während des Studiums von Fotografie und Bildjournalismus für verschiedene Zeitschriften ausführte.

Zufällig entstand so auch die Aufnahme von zwei Jungen, die auf einem leeren, trostlosen Fabrikgelände mit einem Revolver spielen. Hebestreits Titel: "Geht schön spielen", sagte die Mutter. So etwas wie schwarzer Humor oder Sarkasmus spricht aus manchen Arbeiten. Wobei die Stimmung dieser Fotografie erst am Computer geschaffen wurde: aufgehellt die Mitte und abgedunkelt die Ränder. Manchmal hat der Fotograf bei der Bearbeitung die Seiten vertauscht, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.

Zentimetergenaue Komposition

Denn er weiß um die Psychologie des Betrachters, der empfindet, dass ein Modell auf ihn zukommt, wenn es von rechts nach links ins Bild läuft. Manchmal hat er etwas aus dem Bild entfernt und beim Titelfoto "nichts bleibt — oder doch?" arbeitete er ganz vorsichtig mit Farbe, um den malerischen Charakter zu verstärken. "Man muss etwas zu sagen haben und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein", so Hebestreits Anspruch, "damit meine ich auf den Zentimeter genau."

(mkl)
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