Monheim "Wir waren auf uns selbst gestellt"

Monheim · Zwischen den Welten: Volkan Cakal ist Türke der 2. Generation. Seit 2004 ist er deutscher Staatsbürger.

 Volkan Cakal ist Trainer der G-Jugend beim 1. FC Monheim. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender von WiM -Wir in Monheim.

Volkan Cakal ist Trainer der G-Jugend beim 1. FC Monheim. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender von WiM -Wir in Monheim.

Foto: Matzerath

Volkan Cakal ist 1974 in Monheim geboren, er wuchs im Berliner Viertel auf und ist seit 2004 deutscher Staatsbürger. Er ist kontaktfreudig und offen wie ein Rheinländer und beherrscht sogar das hiesige Sprachidiom. "Normal", sagt er, "müsste man sagen: Der ist Monheimer. Aber man hat dennoch das Gefühl, nicht richtig akzeptiert zu sein, mehr leisten zu müssen als ein Deutscher." Er fühle sich ein bisschen wie zwischen den Welten. Tatsächlich pendelte er in seiner Jugend zwischen Deutschland und der Türkei hin und her.

Cakal ist ein typischer Vertreter der 2. Generation. Seine 1971 eingewanderten Eltern, die aus der Provinz Denizli (Pamukkale) stammen, beherrschten kein Wort Deutsch. "Zu Hause wurde nur türkisch gesprochen", sagte Cakal. "Auch weil die Eltern den ganzen Tag arbeiteten, konnten sie uns nicht in der Schule helfen, haben aber Nachhilfe-Lehrer bezahlt", erinnert sich der heute 42-Jährige. Sein Start ins deutsche Bildungssystem an der Hermann-Gmeiner-Grundschule verlief aber reibungslos und erfolgreich. Mitte der 80er Jahre trugen sich dann seine Eltern mit Rückkehrgedanken. So wurde der älteste Sohn zu einer Verwandten geschickt, um in der Türkei die Schule zu besuchen. "Obwohl ich bisher keinen Türkischunterricht hatte", bemerkt dieser. Dennoch fühlte er sich im türkischen Schulsystem gut aufgehoben. "Man musste Schuluniformen tragen, es wurde streng auf gepflegte Haare und Fingernägel geachtet - es ging alles sehr diszipliniert zu." Auch wenn er sich von seinen Landsleuten angenommen fühlte, habe er den stärksten Zusammenhalt mit den Schülern empfunden, die, wie er, aus Deutschland kamen. "Wir hatten einfach etwas gemein." Nach vier Jahren musste die Familie dann erneut eine Entscheidung über seine weitere Zukunft fällen, da er Gefahr lief, in Deutschland seinen Aufenthaltstitel zu verlieren. Nach seiner Rückkehr nach Monheim war dem türkischen Gymnasiasten allerdings der Zugang zu einer gleichrangigen Schulform versperrt. Er landete auf der Hauptschule. Ein Schock. "Ich habe es dort nur drei Wochen ausgehalten. Die Schüler waren so respektlos und undiszipliniert - und ich stand wie gewohnt auf, als der Lehrer hereinkam", sagt Cakal. Er konnte dann seine Schullaufbahn an der Johann-Gutenberg-Realschule in Langenfeld fortsetzen. "Obwohl ich Deutsch als Schulfach in der Türkei gehabt hatte, hatte ich echt Probleme, dem Deutsch-Unterricht zu folgen." Ansonsten habe er aber gute Noten abgeliefert und die Schule abgeschlossen.

Seine Eltern beschreibt der stellvertretende Vorsitzenden des Vereins WiM (Wir in Monheim) als "nicht so streng". Offenbar unternahmen sie nicht den - letztlich untauglichen - Versuch, den Filius von den Einflüssen der westlichen liberalen Kultur fernzuhalten. Er spielte Fußball im Verein. Die Eltern gehörten der "Spar-Generation" an, deren Bewegungsradius allein durch die finanziell knappen Mittel eingeschränkt war, die dafür einen stärkeren Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde pflegten, erklärt Cakal. "Da war auch die soziale Kontrolle größer: Da wurde mehr drauf geachtet, ob man die religiösen Pflichten einhielt." Seine Mutter sei sozusagen die Hüterin des Glaubens gewesen. Und auch, wenn er für sie oft als Dolmetscher tätig werden musste, habe das nicht ihre Autorität unterminiert. "Die Mutter ist heilig."

Cakal hat - anders als andere türkische Männer - keine Frau aus der Türkei geheiratet, sondern eine in Deutschland geborene. "Wir sprechen zu Hause mit unseren beiden Söhnen Deutsch." Was in Hinblick auf ihre Bildungskarriere vernünftig ist, ihn aber gefühlsmäßig nicht wirklich glücklich macht. "Mir wäre am liebsten, sie würden zweisprachig aufwachsen." Er selbst sei in der Lage, gedanklich zwischen beiden Sprachsystemen hin- und herzuschalten. Manchmal streue er eine Vokabel aus der anderen Sprache ein, wenn ihm das passende Wort im akuten Sprachmodus gerade nicht einfällt - besonders im Gespräch mit den türkischen Arbeitskollegen bei Lanxess-Saltigo im Leverkusener Chempark. Aber anders als seine Eltern kann er seine Söhne in der Schule unterstützen. Dennoch habe er jetzt einen Oberstufenschüler für die Nachhilfe organisiert - auch als Vorbild. Er hofft, dass sie es mal an die Uni schaffen. "Wir waren damals sehr auf uns allein gestellt - unseren Kindern tragen wir heute alles hinterher."

(RP)
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