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Reformationstag Sind die Katholiken mit Luther versöhnt?

Krefeld · Was blieb vom Gedenkjahr der Reformation? Wir sprachen mit dem Superintendenten zum Reformationstag.

2017 war das große Luther- und Reformationsgedenkjahr. Was ist ein Jahr danach geblieben?

Kamphausen Es gab zum einen eine Art evangelische Selbstvergewisserung, dass das Wort uns trägt und im Zentrum der Verkündigung steht. Zum anderen ist eine Intensivierung der Ökumene geblieben. Es gibt neue Vereinbarungen und Aktivitäten, die ihre Fortsetzung finden.

Heißt das, dass die Katholiken sich mit Luther versöhnt haben?

Kamphausen Was heißt mit Luther versöhnt, so würde ich das nicht sagen. Aber klar ist, dass das, was der frühere Präses Peter Beier einmal gesagt hat, gilt: Wir gehen auf eine ökumenische Kirche zu und haben dadurch Relevanz, oder wir haben keine mehr. Dieser Prozess hat sich verstetigt; die Einsicht ist geschärft: Wir haben mehr  Gemeinsamkeiten als Trennendes.

 Wir sprachen mit Burkhard Kamphausen, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen.

Wir sprachen mit Burkhard Kamphausen, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen.

Foto: Lothar Strücken

Sind denn von katholischer Seite noch Verletzungen etwa über Luthers deftige Papstschmähungen spürbar? Gibt es Forderungen nach einer Entschuldigung,  oder ist das quasi geheilt ?

Kamphausen Es gab schon vor etlichen Jahren einen Beschluss der Landessynode, der auch abgestimmt ist mit der katholischen Schwesterkirche, dass Verurteilungen von damals heute nicht mehr kirchentrennend sind.

Ist umgekehrt das evangelische Selbstbewusstsein durch die Besinnung auf das, was von Luthers Theologie bleibt, gestärkt? Rom stuft die evangelischen Kirchen als „kirchliche Gemeinschaften“ ein; auch das sorgt für Unmut bei den Protestanten.

Kamphausen Gestärkt ist sicher das Bewusstsein der Konzentration auf das Wort und seine Auslegung. Aber dieses Selbstbewusstsein würde ich nicht als evangelisch oder katholisch bezeichnen; es geht darum, dass man sich bewusst macht: Ich bin ein Christenmensch.

Wird  Luther nun ganz anders gesehen?

Kamphausen Nein. Die Zeitbedingtheit der Ereignisse der Reformation ist einmal mehr ins Auge gefasst worden und damit auch das Bewusstsein gestärkt, dass wir heute einiges anders machen und sagen würden. Natürlich gehört dazu auch Luthers Verhältnis  zu den Juden oder seine Worte zum Bauernaufstand.  Wir denken und handeln heute vollkommen  anders.

Gibt es für Sie persönlich einen Punkt, der Ihnen besonders wichtig ist?

Kamphausen Ich war immer überrascht, wie viele Menschen im Allgemeinen und wie viele Katholiken im Besonderen an den Veranstaltungen teilgenommen haben und wie offen das Gespräch war. Die Gottesdienste zum Reformationstag waren brechend voll, voller sogar als die Weihnachtsgottesdienste, und immer gab es unter den Besuchern auch viele Katholiken, die in ihrer Kirche gut beheimatet sind. Dieses ernsthafte Interesse war schon sehr beeindruckend.

Gibt es ein Ereignis, ein Buch, eine Entdeckung,  etwas, das für Sie ein Höhepunkt des Gedenkjahres war?

Kamphausen Ich erinnere mich gerne an die Veranstaltungen, die wir mit den benachbarten Kirchenkreisen in Aachen, Neuss, Mönchengladbach und Jülich gemacht haben; beeindruckend war die Reformationssynode, an der auch unsere Partnerkirchenkreise in Namibia, Indonesien oder der ehemaligen DDR teilgenommen haben. Wir haben eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. Und es gab ein großes Fest in Jülich, das sehr schön und auch wieder ökumenisch geprägt war.

Sie erwähnten die Kritik an Luthers Judenhass oder dessen Stellungnahmen zum Bauernaufstand. Tat es weh, sich diese Abgründe im Denken Luthers erneut bewusst zu machen?

Kamphausen Nein. Es ist notwendig, sich dies vor Augen zu führen; es gibt Schriften, die sind absolut unsäglich, und das muss man auch so klar sagen.

Mit Blick auf das evangelische Krefeld wundert es einen manchmal, dass Gemeinden, die sich selbst einer grundstürzenden historischen Veränderung wie der Reformation verdanken, so schwer tun mit Veränderungen. Die Debatte,  ob man mit Alter Kirche und Friedenskirche zwei Kirchen in engster Nachbarschaft halten kann, ist eingeschlafen, die strukturellen Probleme einer kleiner werdenden Kirche aber sind geblieben. Ist ein Jahr nach dem Gedenken an die Reformation mehr Veränderungsbereitschaft spürbar?

Kamphausen Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Gemeinden, die sich den Veränderungen stellen; es gibt Gemeinden mit einem gewissen Beharrungsvermögen. Es gibt im Kirchenkreis auch unterschiedliche Entwicklungen, was die Zahlen angeht. Im sogenannten ländlichen Raum wie im Kreis Viersen gab es in den vergangenen 20 Jahren zunehmende Gemeindegliederzahlen, in der Stadt Krefeld hat man deutlich sinkende Zahlen. Als ich Mitte der 80er Jahre nach Krefeld gekommen bin, hatte der Gemeindeverband mehr als 60.000 Mitglieder, heute sind es rund 35.000. Das liegt nicht an der Qualität der Gemeindearbeit oder der Pfarrer, sondern an soziologischen und demographischen Gegebenheiten.

Und als Superintendent kann man auch nicht auf den Tisch hauen und Veränderungen verordnen.

Kamphausen Nein, die Gemeinden entscheiden selbst. Ich kann da Anregungen geben, und das tue ich auch.

Was ist für Sie die größte Herausforderung der Kirche?

Kamphausen Dass wir weiter nah bei den Menschen sind, dass wir wissen, was wir zu verkündigen haben und dass wir uns nicht zurückziehen in eine Wagenburg, sondern uns weiter gesellschaftlich und sozialpolitisch engagieren. Wir sind nach wie vor eine Kirche, die sich um die Welt auch kümmert.

Man kann lesen, dass auch die evangelische Kirche mit Pfarrermangel zu kämpfen hat. Bei den Katholiken sagt man oft: Es liegt am Zölibat. Woran liegt es bei den Evangelischen?

Kamphausen Die Relevanz von Kirche in der Gesellschaft nimmt einfach ab. Und das wirkt sich natürlich auch bei Leuten aus, die in einem Alter sind, in dem man sich für einen Beruf entscheidet.

Haben Sie eine Lieblingsschrift von Luther?

Kamphausen Dazu gehört ganz sicher „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, aber auch eine kleine Schrift mit dem Titel „Das schöne Confitemini“, eine Auslegung des 118. Psalms (Anmerkung d. Red.: Der Psalm beginnt mit den Worten „Danket dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich“). Kennt kein Mensch, ist aber eine schöne Meditation.

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