Prozess um die "Himmelsscheibe von Nebra" Herkunft des Schatzes ist geklärt

Prozess um die "Himmelsscheibe von Nebra" · Von Thilo Zimmermann

Von Thilo Zimmermann

Diese Geschichte hat alles, was einen guten Krimi ausmacht: Es geht um einen Bronze-Schatz unschätzbaren Wertes, ein konspiratives Treffen in der Schweiz, eine Festnahme in Basel, und auch Raubritter und James Bond werden ins Feld geführt, wenn's um die "Himmelsscheibe von Nebra" geht. Im Mittelpunkt der Handlung: die Kaarsterin Hildegard Burri-Bayer, Inhaberin des Museumsrestaurants "Historia" an der Broicherdorfstraße. Seit Montag steht sie in Naumburg in Sachsen-Anhalt vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Halle hat die 52-Jährige sowie Reinhold St., einen 64 Jahre alten und aus der Gemeinde Jüchen stammenden Sammler historischer Gegenstände wegen Hehlerei angeklagt. Seit Montag vor Gericht: Hildegard Burri-Bayer, hier mit einer Nachbildung der "Himmelsscheibe". NGZ-Foto: L. Berns -->

Neben den beiden müssen sich zwei Männer aus Ostdeutschland verantworten. Darunter ist der Entdecker des 3.600 Jahre alten und inzwischen für sieben Millionen Euro versicherten Fundstücks, Europas vermutlich erste eindeutige astronomische Darstellung von Sonne, Mond und Sternen. Dem Mann wird Unterschlagung zur Last gelegt, seinem Komplizen wiederum Hehlerei. Beide gestanden.

Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass der 39-jährige Finder am 4. Juli 1999 "mittels eines Metalldetektors" und "anlässlich einer gezielten Suche nach antiken Bodenschätzen im Erdreich auf dem Mittelberg inmitten des im sachsen-anhaltinischen Burgenlandkreises nahe der Stadt Nebra gelegenen Ziegelrodaer Forsts" sowohl die "Himmelsscheibe" als auch zwei bronzezeitliche Schwerter mit goldenen Griffklammern, zwei Randleistenbeile, zwei Bronzebeile sowie diverse Armreifen und Kleinteile entdeckt hat. Für 32.000 Mark erwarb der Händler Achim St. aus Troisdorf den Fund und begründete den geringen Preis damit, dass er es lediglich auf die Schwerter abgesehen und den Wert der damals stark verschmutzten Scheibe gar nicht erkannt habe.

Nichtsdestotrotz begann er höchst offensiv mit der Vermarktung. "Auf das konkrete Verkaufsangebot von einer Million Mark gingen die angesprochenen Archäologen wegen des unrechtmäßigen Besitzes des Veräußerers nicht ein", so die Staatsanwaltschaft. Und an dieser Stelle kommt nach ihrer Auffassung Hildegard Burri-Bayer ins Spiel, deren Restaurant die Hallenser Juristen als "Insidertreff für Sammler antiker Gegenstände" bezeichnen. "Burri-Bayer arrangierte ein Treffen zwischen Achim St. und dem ihr als Schatzsammler bekannten Reinhold St., die im Ergebnis ihrer Verkaufsverhandlungen schließlich einen Kaufpreis von 230.000 Mark vereinbarten", so die Staatsanwaltschaft.

Spätestens im Sommer 2001 habe Lehrer Reinhold St. "einen lukrativen (Weiter-) Verkauf des Schatzfundes" angestrebt, wobei ihn Burri-Bayer "intensiv unterstützt" habe. Sie stellte auch den Kontakt zu Sachsen-Anhalts Landesarchäologen Dr. Harald Meller her, der Kaufinteresse vorgab. Als Treffpunkt wurde ein Baseler Hotel auserkoren. "Die Einschätzung der Angeschuldigten, dass man im schweizerischen Ausland vor deutschen Ermittlern sicher sei, trog allerdings", so die Anklage. Der Rest ist bekannt: Meller kam mit der Polizei und verwies aufs so genannte Schatzregal, nachdem Funde von Bedeutung dem Staat zufallen.

Burri-Bayer wurde festgenommen, die "Himmelsscheibe" beschlagnahmt. Es folgte ein heftiger Schlagabtausch, Strafanzeige wegen des Tatbestands der vorsätzlich falschen Anschuldigung inklusive. Die Kaarsterin warf dem Fachmann Arbeit "in Raubrittermanier" vor. "Dr. Meller möchte als James Bond und Retter der Himmelsscheibe in die Geschichte eingehen", gab Burri-Bayer zu Protokoll. Sie und ihr Verteidiger Gunnar Zillmer hatten zuerst das Schatzregal ins Visier genommen. Hätte sich in dem Verfahren nämlich herausgestellt, dass der Fundort außerhalb Sachsen-Anhalts lag, wäre der Vorwurf der Hehlerei nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen.

"Der Fundort Sachsen-Anhalt ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil er außerhalb des Kulturkreises liegt, in dem die Himmelsscheibe entstanden ist. Es gibt wissenschaftliche Beiträge, die viel eher für Bayern oder Tschechien sprechen", so Zillmer vor dem Verfahren. Spezialisten des Landeskriminalamts raubten ihm aber mit dem Hinweis auf die konkrete geografische Herkunft der "Himmelscheibe" diese Hoffnung. Burri-Bayer und Zillmer setzen jetzt darauf, "dass in der Verkaufskette die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs besteht", was sie vom Vorwurf der Hehlerei freisprechen würde.

Ihre Hoffnung auf einen Freispruch setzen sie auch darauf, dass die "Historia"-Besitzerin "keinerlei persönliche Bereicherungsabsicht" gehabt habe. Sie habe mit ihrer Vermittlung nur versucht, einzigartiges Kulturerbe in Deutschland zu halten und nicht in einer ausländischen Privatsammlung verschwinden zu lassen. Mittwoch geht der Prozess weiter. Dabei dürfte es spannend werden: Landesarchäologe Meller ist als Zeuge geladen.

(NGZ)
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