Hückeswagen Jeck für vier Euro

Hückeswagen · Alte Hüte, falsche Zöpfe? In der „Kleiderkammer“ findet sich in jedem Fall das eine oder andere Karnevals-Accessoire. Auch in nächsten Woche noch. Doch wer ein Kostüm will, sollte am besten früh aufstehen.

Journalisten sind bekanntlich keine Frühaufsteher. Manchmal ist das folgenschwer. Wie gestern in der „Kleiderkammer“, dem Second-Hand-Shop der katholischen Gemeinde. Wer sich dort erst um halb Zwölf auf die Suche nach einer passenden Karnevals-Staffage begibt, muss sich erstmal von der Dame des Hauses tadeln lassen: „Etwas spät dran. Schon um neun Uhr standen die Leute bei uns Schlange“, sagt Christel Buß.

Heute bleiben also nur die Reste übrig. Jetzt heißt es unerbittlich wühlen, Bügel schieben, Kartons durchforsten und Ausschau halten nach einem passenden, originellen Kostüm. Alte Hüte, falsche Zöpfe, bunte Hosenträger oder vielleicht einen Schlips? Das eine oder andere Accessoire lässt sich zwischen den vielen Winterklammotten, die ebenfalls für den „kleinen Euro“ verkauft werden, schnell erspähen.

Doch bei der Jagd auf ein richtiges Kostüm ist wohl Ausdauer gefragt. Das Feenkleid mit goldenen Sternchen und rosa Tüll ist zwar süß, aber nicht mehr altersgerecht. Das Clownskostüm daneben – nicht wirklich der Bringer. Aber auch beim Leoparden-Mini oder beim seidenen Asia-Morgenmantel will sich bei mir nicht richtig die Kauflust einstellen. Da sind die kleinen Tische in der Ecke plötzlich sehr verlockend, an denen der Second-Hand-Shop seinen Besuchern ein zweites Frühstück offeriert: „Eine Tasse Kaffee, ein Euro, ein belegtes Brötchen, 1,50 Euro“, wirft mir eine nette Frau zu.

Kurzes Zögern. Doch dann siegt der angeborene Jagdtrieb der Frau nach Kleidung. Weiter wühlen, weiter suchen, weiter kämpfen. Viele Stangen, viele Bügel, viele Nieten. Dann endlich: Zwischen einer gestreiften Kinderlatzhose und einer folkloristischen Schürze hängt es – ein schwarz-weiß gemustertes 70er-Jahre-Retro-Kleid. Unten in einer Box liegt ein weißer Schal.

Schnell zugreifen und ab in die Anprobe damit. Beim Umziehen knistert der lange Rock – echt 70er Jahre eben und damit echte 100 Prozent Synthetik. Aber eigentlich ist das nur das kleinere Übel. Die große Frage lautet in diesem Moment: Passt das ausgeschnittene Modell auch oben rum?

Puh, Glück gehabt. Das gute Retro-Stück sitzt eigentlich ganz gut. Und Karneval ist gerettet. Auf dem Weg zum Bezahlen treffe ich noch auf ein paar späte Suchende. Die finden auch erstmal alte Hüte, falsche Zöpfe und bunte Hosenträger. Voller Stolz ziehe ich an ihnen mit meiner Beute vorbei.

Zu guter Letzt hat sich meine Ausdauer sogar doppelt gelohnt. Denn die Dame des Hauses meint es am Ende doch noch gut mit der Spätaufsteherin: „Vier Euro. Und die Stola gibt’s auch noch dazu“, sagt Christel Buß beim Kassieren.

(RP)
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