Familiengeschichte Onkel Josefs Briefe aus dem Krieg

Goch · Schon vor mehr als 30 Jahren hatte seine Mutter dem heute 83-jährigen Johannes Kepser die Kriegsaufzeichnungen seines Onkels übergeben, damit er sie gut bewahre. Nun hat der historisch Interessierte ein Buch herausgebracht.

             Josef Verfürth wollte eigentlich Pfarrer werden, fiel allerdings 1917 als Soldat in Belgien. Sein Großneffe Johannes Kepser (auf dem Foto oben gemeinsam mit seiner Ehefrau Theresia) machte aus den Briefen, die „Onkel Josef“ nach Goch schickte, 100 Jahre später ein Buch.

      Josef Verfürth wollte eigentlich Pfarrer werden, fiel allerdings 1917 als Soldat in Belgien. Sein Großneffe Johannes Kepser (auf dem Foto oben gemeinsam mit seiner Ehefrau Theresia) machte aus den Briefen, die „Onkel Josef“ nach Goch schickte, 100 Jahre später ein Buch.

Foto: Anja Settnik

Auch Jahrzehnte nach seinem Tod war der Onkel bei jedem Familienfest präsent. Kein Geburtstag und kein Weihnachtsfest, an dem nicht von Josef Verfürth und seinen Aufzeichnungen von der Front die Rede war. „Onkel Josef wurde nie vergessen, was sicherlich mit seinen umfangreichen Tagebucheinträgen zu tun hat“, sagt Johannes Kepser. Er hat dafür gesorgt, dass die handschriftlichen und in Sütterlin geschriebenen Aufzeichnungen seines Onkels von mehr Menschen gelesen werden können, denn sie liegen nun als Buch vor. Kepser möchte damit dem Onkel ein ehrendes Andenken bewahren und zugleich jungen Lesern vor Augen führen, wie schrecklich jeder Krieg ist. Denn den Zweiten Weltkrieg hat er selbst intensiv miterlebt - auf der Wiesenstraße, auf der Bahnhofstraße, Schutz suchend in Pfalzdorf und in Helsum.

Josef Verfürth fiel 1917 in Flandern, wurde auf einem riesigen Soldatenfriedhof begraben. „Unsäglich viel Leid, Trauer und Schmerz hat der Erste Weltkrieg an der Front und in der Heimat verursacht. „Ich möchte, dass möglichst viele junge Menschen von den unglaublichen Grausamkeiten dieses Krieges erfahren“, sagt Kepser. Die Angst um das eigene Leben und die Sorge um die Kameraden seien quälend gewesen. „Der Kaiser und seine Heeresführung verheizten die jungen Männer; das darf nicht vergessen werden.“

Johannes Kepser verarbeitete Tagebucheinträge zu einem Buch
Foto: Anja Settnik

Josef Verfürth war der Bruder von Kepsers Mutter Theresia. Er besuchte als Junge das Realgymnasium von Goch, machte in Kleve Abitur, bevor er mit dem Studium begann und bald schon wie Millionen andere junge Männer optimistisch in den Krieg zog. Seinen Eltern schickte der junge Mann seine Erlebnisse auf Zetteln nach Hause. „Er muss fast jeden Tag Tagebuch geschrieben haben - man mag sich nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen“, sinniert Johannes Kepser. Von 1915 bis 1917 trafen regelmäßig Briefe des Leutnants ein, der schon 1916 mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war. Eine militärische Karriere, die sich nicht so recht mit der Entwicklung des jungen Mannes vor dem Krieg zu vertragen scheint: Verführt hatte sich für ein Studium der Theologie in Münster entschieden, soll 1915 kurz vor der Weihe zum Diakon gestanden haben. Doch dann kam der Krieg; kaum jemand - auch Josef Verfürth nicht - versteckte sich vor der Einberufung. Mit dem Ergebnis, dass sein Leben nicht mehr lange dauern sollte.

Ab November 1917 kamen keine Briefe mehr, denn ein Kopfdurchschuss tötete den Gocher am 30. Oktober. Noch tags zuvor hatte er in sein Tagebuch geschrieben, „vorläufig bin ich also wohlauf und hoffen wir das Beste.“ Die Eltern - genauer gesagt die Schwester, die gerade auf ihre kleinen Brüder aufpasste - erhielten die Todesnachricht durch einen Soldaten, der in der ersten oder zweiten Novemberwoche 1917 plötzlich in zerlumpter Uniform vor der Tür stand und den letzten Brief übergab. Josef sei ein „tapferer und vorbildlicher Soldat“ gewesen.

Später half die Kriegsgräberfürsorge bei der Suche nach den sterblichen Überresten des Soldaten: Erschossen wurde er offenbar in einem Schützengraben im belgischen Ypern, seine letzte Ruhestätte fand er auf dem riesigen Soldatenfriedhof von Menen.

„Bei seinen Eltern brannte zeitlebens eine Kerze für den toten Sohn. Meine Mutter übernahm die Briefe irgendwann von ihren Eltern, und zehn Jahre vor ihrem Tod übergab sie sie an mich. „,Die müsste man eigentlich aufarbeiten’, hatte sie gemeint. Aber dazu brauchte ich viel Zeit und die Hilfe anderer Menschen“, erzählt Kepser. Bekannte, die die Sütterlin-Schrift noch beherrschten, hätten sich sehr verdient gemacht. Insgesamt seien 18 Jahre ins Land gegangen, bis alles übertragen, geordnet und in druckfähigen Zustand gebracht worden war. Auch viele Fotos, Karten, Totenzettel und Zeitungsausschnitte fanden Eingang in das Werk, das in erster Linie für die Familie gedacht ist - in Kleve und Goch dürften es einige sein, die mit den Namen aus dem Buch noch etwas anzufangen wissen. Verfürth, Albers, Kepser, Planken und Werres haben mit dem Autor und seinen Vorfahren zu tun. Leichte Kost ist das eng beschriebene 300-Seiten-Werk nicht. Wer Johannes Kepser in Dreieich anschreibt, kann es bei ihm für 29 Euro bestellen.

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