Der Leib Christi in Kevelaer Backe, backe Hostie

Kevelaer · Der Leib Christi besteht aus Weizenmehl und Wasser – und er wird in Kevelaer gebacken. Das Ehepaar Thomas und Sabine Held betreibt dort eine Hostienbäckerei. Ein Geschäft, für das man mehr Christ als Unternehmer sein muss.

 Die Plattenreste, die gebrochen und anschließend als Knabberei verkauft werden.

Die Plattenreste, die gebrochen und anschließend als Knabberei verkauft werden.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Das Rezept ist simpel: Nur reines Weizenmehl und Leitungswasser braucht es, um den Leib Christi zu backen. Die beiden Zutaten landen im Verhältnis 25 Kilo Mehl und 30 Liter Wasser in einem großen Bottich, ein Strudel vermengt sie zu einem glatten Teig. Neben dem Bottich, in einem mit Fliesen gekachelten Raum, steht Thomas Held. Der große Mann ohne Haare und mit roter Brille führt seit 2009 die Hostienbäckerei in Kevelaer, seit einigen Jahren zusammen mit seiner Frau Sabine Held.

Dabei halten sich die Helds an zwei Regeln: Die Räume in dem alten Gebäude nahe des Kapellener Platzes sind so steril, wie es Lebensmittelproduktionen sein müssen. Das verlangt das Gesundheitsamt, schließlich werden die Oblaten am Ende gegessen. Der Codex Iuris Canonici, das katholische Kirchenrecht, verlangt, dass die Hostien nur aus diesen zwei Zutaten bestehen. Was einfach klingt, ist eine aufwendige Produktion, für die Familie Held und ihre vier Mitarbeiter nur einfache technische Hilfsmitteln nutzen.

„Ich hatte ehrlich gesagt anfangs keine Ahnung, dass Hostien nur aus Wasser und Mehl bestehen“, sagt Thomas Held. Der 53-Jährige kam zum Oblatenbacken wie die Jungfrau zum Kinde. Nach dem Abitur wollte der gebürtige Stuttgarter eigentlich Theologie studieren, holte sogar sein Latinum und Graecum nach. Zum Studium kam es aber nie. Denn nach dem Seminar zog es Thomas Held in eine katholische Lebensgemeinschaft in Frankreich. Dort lebte er mit Hilfebedürftigen von der Straße, Obdachlosen und Prostituierten unter einem Dach.

Zurück in Deutschland absolvierte Held eine Tischlerlehre und zog 1995 ins Kloster Vinnenberg im Münsterland. Dort gab es eine stillgelegte Hostienbäckerei, die der damals 30-Jährige wieder in Gang brachte. Nach und nach brachte er sich selbst das Hostienbacken bei – und es ließ ihn nicht mehr los.

Nach 15 Jahren im Kloster wollte Held sein eigenes Unternehmen führen und eröffnete 2009 die „Gläserne Hostienbäckerei“ in Kevelaer. Das Prinzip: Die Wände sind aus Glas, damit Zuschauer sich die Produktion der Oblaten anschauen können. Ganz so wie Held sich das Geschäft vorgestellt hatte, funktioniert es aber nicht.

„Eigentlich bin ich wegen der Pilger nach Kevelaer gekommen“, sagt der 53-Jährige. „Aber die kann man an einer Hand abzählen.“ Stattdessen kommen jedes Jahr etwa 6000 Kommunionkinder und 4000 Erwachsene in die Bäckerei – deutlich weniger, als Held anfangs vermutet hatte. „Ich hatte schon mit 15.000 bis 18.000 Besuchern im Jahr gerechnet.“

Das Einkommen aus Hostienverkauf und Bäckereirundgängen reiche für die Familie mit vier Kindern kaum aus, die Altersvorsorge sei ungewiss. Dennoch scheut Thomas Held nicht, im Notfall auch seiner Konkurrenz auszuhelfen, etwa wenn eine Maschine ausfällt. „Zunächst bin ich Christ, bevor ich Unternehmer bin“, sagt er. In Deutschland gibt es nur etwa 40 Hostienbäckereien, 35 davon sind in klösterlicher Hand.

Wenn Besucher in die Bäckerei kommen, zeigt Held, wie er jährlich zwischen acht und zehn Millionen Hostien produziert. Der Teig wird zwei Minuten lang bei 185 Grad auf einem Eisen gebacken. Heraus kommen Hostienplatten, die Held und seine Mitarbeiter senkrecht zum Auskühlen aufstellen. Direkt nach dem Backen sind die Platten zerbrechlich. Damit sie während der Produktion nicht zerbröseln, werden sie so lange in einem anderen Raum befeuchtet, bis sie elastisch sind. Anschließend stanzt ein Hohlbohrer die fertigen Hostien aus. Auch das funktioniert nicht ganz automatisch: Mit der Hand führt Held die Platten unter dem Bohrer her. Die guten, runden, nicht ausgefransten Oblaten werden schließlich wieder getrocknet, verpackt und verkauft.

1000 Hostien in Standardgröße kosten 15 Euro. Den Verschnitt verkauft Familie Held als „Knabbertüte“. Generell gilt: Je größer der Gottesdienst, desto größer auch die Hostie. Es gibt den Leib Christi mit bis zu 23 Zentimeter Durchmesser – so wie der Papst sie nutzt. Helds Kunden sind vor allem Großhändler und Kirchengemeinden. Manchmal geht aber auch ein Paket an Privatpersonen. Denn die Kevelaerer Hostienbäckerei ist eine der wenigen, die ihre Oblaten auch glutenfrei für Allergiker backt.

Ganz fertig, sagt Held, sind die Hostien aber natürlich erst, wenn sie gesegnet und konsekriert, also in einer Messe zum Leib Christi gewandelt, wurden.

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