Kabarett im Steinhof Die schwarze Wölfin des Musikkabaretts

Huckingen · Carmela de Feo alias „La Signora“ bot mit jeder Menge Temperament ein unterhaltsames Musikkabarett-Vergnügen im Huckinger Steinhof.

 La Signora hatte das Publikum am Freitagabend auf ihrer Seite.

La Signora hatte das Publikum am Freitagabend auf ihrer Seite.

Foto: Thomas Bremser

Carmela de Feo, alias „La Signora“, kam gutgelaunt auf die Bühne, im ausverkauften Huckinger Steinhof. Sie präsentierte ihr Bühnenprogramm mit dem Titel: „Die Schablone, in der ich wohne“. Gäbe es die Bühnenfigur der „La Signora“ seit 2006 nicht, müsste man sie erfinden. Carmela de Feo atmete Theater, tanzte Theater, sang und spielte Theater – sie war Theater. Die temperamentvolle La Signora bot ein sehr unterhaltsames Musikkabarett-Vergnügen.

Ja! – La Signora, das selbsternannte Showgirl, in körperlicher, sprachlicher und fast arthritischer Dauerverrenkung begriffen, hatte als schwarzgewandete Rädelsführerin aller „untoten Hausfrauen“, in Sekundenbruchteilen das Publikum im Griff. Sie plusterte sich auf, erheischte das vordergründige Vertrauen des Publikums durch schonungslose Selbstanalyse, um danach in einen Rausch ihrer abgrundtiefen Komik zu tauchen.

Die Bühnenfigur der La Signora wäre in einem Improvisationstheater der italienischen Commedia dell’arte vorzüglich aufgehoben. De Feo setzte also auf gezielte „battute“ (ital. in etwa Schlagfertigkeit) und extreme „Lazzi“ (ital. für Witzeleien). Ihre Stärke: Die Schlagfertigkeit in der witzigen, auch derben Improvisation. La Signora’s Maske, ihr Kostüm und ihr Spiel waren vordergründig stark, zu Ende emanzipiert, permanent notgeil, selbstverletzend, absolut passend, größenwahnsinnig, narzisstisch, liebend, suchend, flehend, aber einsam mit sich selbst und das fühlte man zwischen den Zeilen.

Diese „komische innere Leere“, das verzweifelte Tun „im sich nicht selber aushalten können“, dass sie mit dieser Bühnenfigur in Wollust überspielte, hielt sie dem Publikum punktgenau im Spiegel vor. Ein bunter Narrenspiegel, gewidmet dem Lob der menschlichsten Abgründe und Oberflächlichkeiten. Sie übertrieb ins Unermessliche, trumpfte auf, zerbröselte und zerfetzte das letzte Häufchen Männer-Testosteron im Publikum. La Signora war eine wirkliche Närrin, die schwarze Wölfin unter den Clowninnen. Kurz auf die Pointe lauernd, schoss sie sofort aus allen Rohren. Das fade Objekt ihrer Begierde blieb der Mann – irgendein Mann. Und der Mann, ja jener Mann, der selbst der Bühnenfigur etwas Zuneigung hätte schenken können, ließ sie gekonnt ins Messer laufen – Das war schon hart, aber auch sehr komisch.

Carmela de Feo war an diesem Abend eine wirkliche Komikerin und großartige Schauspielerin im schwersten Genre, dass die Schauspielkunst zu bieten hat – der Komik. Sie beherrschte die ganze Palette und das über 2 Stunden hinweg. Es ist schon erstaunlich, wieviel komödiantischen Atem man einer Kunstfigur wie La Signora, einhauchen kann.

Das war Unterhaltung pur. Alle prusteten laut, lachten herzhaft und zahllose, ansonsten unauffällige Mitmenschen waren dem Lachkrampf nahe, als La Signora in ihrer Tonart, und auf ihrer manchmal kreischenden Klaviatur intonierte. Dieses Element der gekonnten Bloßstellung, ein immer wieder gelungener Kunstgriff in Ihren Veranstaltungen, war die absolute und allseits gefürchtete Geheimwaffe: das Ansprechen, ja Antanzen einzelner Besucher. Sie führte regelrecht persönliche, familiäre Dialoge, suchte nach menschlichen Schwächen, und drehte sich die Antworten ihrer überrumpelten Zielpersonen zu überraschenden Pointen-Girlanden, die ihresgleichen suchten.

Es war vieles im Bereich der überschrittenen Schamgrenze, eine eigentümliche Art der paradoxen Publikumsbeschimpfung. Ihre Pointen flatterten beißend echt in ihrer Manege und trafen punktgenau. So manches blieb im Halse stecken, aber de Feos Tempo ließ keine Zeit darüber zu reflektieren. Alles schwamm in einem humorvollen, juchzenden Pointen-Strom. Dabei überschritt sie nie die rote Linie – sie, La Signora, war die rote Linie. Und auf diesem schmalen roten Seil tanzte, und spielte sie virtuos mit und ohne Akkordeon durch einen quicklebendigen Abend.

Carmela de Feo war in ihren selbstbegleiteten Songs und „Rezitativen“ wahrlich unglaublich. Denn Stimme und Akkordeon verschmolzen zu einem Ganzen. Hier musste de Feo auch nicht unnötig forcieren, sondern hielt sehr wohlklingende, dem Sujet entsprechende Passagen bereit. Das Tempo der Veranstaltung war rasant bis schwindelerregend, hätte man sich genau an diesen paar Halbplayback-Stellen, über bekannten Melodien, eine tiefgründigere Carmela de Feo gewünscht. Ja, der Hintersinn, der philosophische Unterbau ihrer Komik, der feine Humor, diese fesselnde Art der dramaturgischen Zuspitzung, die Tragik, hätte man sich bei manchem Lauthalsen eindringlicher und leiser vorstellen können.

Schließlich aber muss auch hier der Kritiker die Waffen strecken. La Signora, alias Carmela de Feo, ist nicht wirklich zu beschreiben, geschweige denn in eine Schablone zu stecken – auch nicht in die eigene. Man muss sie gesehen haben, diese unstillbare, skurril-komische Person und das bitte am besten mehrmals. Braus Applaus! -  und stehende Ovationen.

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